Der 1. Januar 1926 folgt in der Türkei gleich auf den letzten Tag des Jahres 1341. Präsident Mustafa Kemal, genannt Atatürk ("Vater der Türken") hatte das entsprechende Gesetz erst wenige Tage zuvor durchs Parlament gebracht. Durch die Kalenderreform ersetzte die westliche christliche Zeitrechnung die des osmanischen Reiches. Wie ein Symbol der Modernisierung wirkt der Sprung von einem mittelalterlichen Datum in das 20. Jahrhundert.Die traditionelle islamische Zeitrechnung beginnt mit dem Jahr der Übersiedlung des Propheten Mohammed von Mekka nach Medina. Außerdem folgt sie einem Mondkalender, dessen Jahr kürzer ist als die 365 Tage des Sonnenkalenders. Der Sultan lässt den osmanischen Kalender schon 1873 reformieren. Der islamische Mondkalender wird dem westlichen Sonnenjahr angepasst. Die Zeitrechnung ab Mohammed bleibt jedoch erhalten.1923 ruft General Mustafa Kemal die Republik aus und wird selbst ihr erster Präsident. Es folgt eine Kulturrevolution im Eiltempo: Der Sultan ist abgesetzt, ein Jahr später muss auch der Kalif - das geistliche Oberhaupt - gehen. Der Präsident kleidet sich westlich und verbietet religiöse Kleidung in der Öffentlichkeit. Er heiratet demonstrativ unter Bruch der osmanischen Tradition: Er tritt gemeinsam mit seiner Frau Latife auf, zahlt ein nur symbolisches Brautgeld von 30 Silbermünzen.
Zu dieser Kulturrevolution gehört auch der neue Kalender ab 1926. Im gleichen Jahr führt Atatürk ein neues Zivilrecht nach schweizer und ein Strafrecht nach italienischem Vorbild ein. Das islamische Recht, die Scharia, wird außer Kraft gesetzt. Staat und Religion sind getrennt, wobei der Staat den Islam streng kontrolliert. Mann und Farau werden gesetzlich gleichgestellt, die Vielehe verboten. Später lässt Atatürk sogar den Koran in einer Moschee auf türkisch - und nicht mehr auf arabisch - rezitieren. Die arabische Schrift wird durch das lateinische Alphabet - mit einigen türkischen Sonderzeichen - ersetzt. Als Atatürk 1938 stirbt, hat er sein Land auf einen entschiedenen Westkurs gebracht und gleichzeitig durch einen rigiden Nationalismus geeint.Stand: 01.01.06