Stichtag

28. Mai 1961: Amnesty International wird gegründet

An einem Morgen des Jahres 1961 sitzt der Londoner Anwalt Peter Benenson wie immer in der U-Bahn und liest Zeitung. Da stößt er auf einen Artikel über zwei portugiesische Studenten, die festgenommen und ins Gefängnis gebracht wurden, nur weil sie in einem Lissabonner Restaurant einen Toast auf die Freiheit ausgesprochen hatten. "Ich ging die Stufen aus der U-Bahn hoch und dachte darüber nach, was man wirklich tun könnte, um die Weltöffentlichkeit zu mobilisieren", wird Benenson später sagen. Der erste Schritt ist ein Aufruf im "Oberserver" am 28. Mai 1961 mit der Aufforderung, nicht länger tatenlos zuzusehen. Es ist die Geburtsstunde der Menschenrechtsorganisation Amnesty International (ai), die sich mit ihren Mitgliedern in 140 Staaten für gewaltlose politische Gefangene, gegen Folter und die Todesstrafe engagiert.Von Beginn an setzt Amnesty International auf politische Neutralität. Trotzdem werden der Menschenrechtsorganisation während des Kalten Krieges je nach ideologischem Lager Kontakte zur CIA oder zum KGB unterstellt. 1977 wird Amnesty International der Friedensnobelpreis verliehen. Spätestens jetzt ist die Organisation eine Macht, die sich als schlechtes Gewissen der Folterknechte etabliert hat - und sich nicht scheut, neben den üblichen Folterverdächtigen in ihrem Jahresbericht 2005 auch die USA auf ihre schwarze Liste zu setzen.

Die Idee, Unrechtsregime, Gefängnisdirektoren, Polizeipräsidenten und Staatsoberhäupter durch negative Publicity und Briefe aus aller Welt unter Druck zu setzen, funktioniert. So sieht es auch Carola Stern, Gründungsmitglied der deutschen Sektion von Amnesty. "Der erste Aufruf erfolgte ja unter der Überschrift ‚Die vergessenen Gefangenen'", sagt Stern. "Und man kann einfach sagen, dass es heute wesentlich schwerer ist, einen Gefangenen in Vergessenheit geraten zu lassen."

Stand: 28.05.06