Stichtag

21. Dezember 2006 - Vor 880 Jahren: Mohammed ibn Rushd in Córdoba geboren

In einem ägyptischen Spielfilm wird er jüngst zum Helden der Vernunft im Kampf gegen Fundamentalisten: Mohammed ibn Rushd muss als Oberrichter von Córdoba über eine Gruppe von Fanatikern urteilen, die einen Anschlag auf einen Dichter verübt haben. Statt zum Tode, wie üblich, verurteilt ibn Rushd die Täter zu fünf Jahren Gefängnis. Er will die Täter nicht zu Märtyrern machen. "Manche Erwachsene erheben ihre Unwissenheit zur Religion", lässt der Film den Richter sagen - eine deutliche Botschaft an das Publikum in Ägypten mit seinen starken islamistischen Kräften.
Ibn Rushd, im Jahr 1126 in Córdoba im damals muslimischen Spanien geboren, erlebt den Konflikt zwischen Religion und Rationalität auch selbst: Der Richter und Leibarzt des Kalifen wird 1195 aus seiner Heimat verbannt. Die unduldsamen Religionslehrer haben sich gegen den Juristen und Philosophen durchgesetzt, der die antike griechische Philosophie in den Islam integrieren möchte. So zieht der 70-Jährige ins Exil nach Marrakesch, wo er 1198 stirbt. Ibn Rushds Werk besteht zum größten Teil aus Kommentaren zu den Schriften des Aristoteles. Darin entwickelt ibn Rushd eine Lehre von den Stufen der Weisheit, die den Glaubenslehrern sicher nicht gefallen konnte: Über das bildhafte Wissen für die Allgemeinheit stellt er das theologische, darüber aber noch die Philosophie, in die nur Wenige eindringen. Mit Aristoteles lehrt er die Ewigkeit der Welt und eine über-individuelle Vernunft, die unsterblich sei - nicht der einzelne Mensch.

Ibn Rushds Aristotelismus hat auf den Islam schließlich einen geringeren Einfluss als auf Juden und Christen: Von seinen Büchern sind mehr in hebräischer und lateinischer Übersetzung als im arabischen Original erhalten. Jüdische Philosophen wie Maimonides und christliche Professoren wie Thomas von Aquin entdecken Aristoteles durch die Kommentare von ibn Rushd. Im christlichen Europa wird er Averroes genannt oder einfach und ehrenvoll "der Kommentator". Erstaunlich unvoreingenommen lernen vernunftorientierte Theologen mitten in der Zeit der Kreuzzüge über die Religionsgrenzen hinweg voneinander. Allerdings ist der christlich akzeptierte Averroes nicht der originale ibn Rushd. Als sich in Paris mehrere Gelehrte auf dessen Texte berufen, um die Ewigkeit der Welt und die Trennung von Vernunft und Glauben zu lehren, werden sie 1277 kirchlich verurteilt.

Stand: 21.12.06