Wenn es ums Fernsehen geht, versteht Neil Postman keinen Spaß. Für ihn führt die Bildermasse der Unterhaltungsprogramme unweigerlich zur Verdummung der Gesellschaft. Die Menschheit leide an "kulturellem Aids", meint er provozierend, "weil unser Immunsystem unter der ungefilterten Informationsflut" zusammen breche. "Wir amüsieren uns zu Tode" (1985) lautet der Titel eines seiner berühmtesten Bücher.
Postman wird am 8. März 1931 als Sohn eines Lastwagenfahrers in New York geboren. Trotz Armut legen die Eltern bei ihren drei Kindern auf Bildung größten Wert – eine Grundhaltung, die auch Postman Zeit seines Lebens bestimmt. Im Umfeld der Studentenbewegung veröffentlicht der ausgebildete Grundschullehrer 1969 ein Buch, das Erziehung als Mittel der Veränderung begreift. Angesichts der wachsenden Macht visueller Medien revidiert er diese Ansicht aber wieder und weist der Schule nun die Rolle einer Bewahrerin der Schriftkultur und traditioneller Werte zu. Sie soll einem "Verschwinden der Kindheit" (ein Buchtitel von 1984) im Medienzeitalter entgegenwirken. Im Kampf gegen eine visuelle Umweltverschmutzung gründet Postman, inzwischen Professor, 1971 die neue Disziplin der "Medien-Ökologie". Seine 17 Bücher und etwa 200 Fachaufsätze bringt der Medienkritiker bis zum Schluss mit Füller und Bleistift aufs Papier.
Auch wenn die Menschheit weiter fernsieht, ist sie für Postmans Ideen doch empfänglich. Der Kulturkritiker hält vor den Vorstandsmitgliedern großer Medienkonzerne apokalyptische Vorträge über den steigenden Analphabetismus in Europa und den USA, sein überaus unterhaltsam geschriebenes Buch "Wir amüsieren uns zu Tode" wird in acht Sprachen übersetzt. Rund 200.000 Exemplare wandern weltweit über die Ladentische. In seinen letzten Arbeiten weitet Postman seine Kritik einer "technologischen Verdummung" auf das Internet aus. Der starke Raucher stirbt 2003 im Alter von 72 Jahren in Flushing bei New York an Lungenkrebs.
Stand: 08.03.06