Johann Wolfgang von Goethe ist 1788 von seiner zweijährigen Italienreise zurückgekehrt, als sich eine Frau mit einer Bittschrift an den Geheimrat wendet: Ihr Vater sei arbeitslos, die Familie verarmt, der Bruder versuche sich als Schriftsteller. Ob Goethe ihn fördern könne? Die Bittstellerin, Christiane Vulpius, arbeitet in Friedrich Bertuchs Fabrik für künstliche Blumen. Goethe lädt sie zu sich ein. Aus dem Bittbesuch werden Liebesnächte, dokumentiert sogar in den Rechnungen für Goethes in diesen Wochen mehrmals gebrochenes Bett. In den "Römischen Elegien", die er zu dieser Zeit schreibt, klingt das so: "Uns ergötzen die Freuden des echten nacketen Amors und des geschaukelten Betts lieblicher knarrender Ton."Die 23-jährige Christiane zieht bald bei dem 39-jährigen Goethe ein - ein Skandal in Weimars feiner Gesellschaft, erst recht, als die beiden 1789 einen Sohn bekommen. Die wilde Ehe des Hofbeamten mit der Frau aus der Unterschicht wird mit Häme überzogen. Schillers Frau Charlotte nennt Christiane "ein rundes Nichts". Goethes Chef, Erzherzog Carl August, sagt: "Die Vulpius hat alles verdorben."Christiane Vulpius ist lebenslustig, sie trinkt und tanzt gern. Aber ihr Alltag ist bald der einer Haushälterin. Goethe widmet ihr zahlreiche Liebesgedichte. In seinen Briefen nennt er sie "rechter Hausschatz" oder "mein lieber Küchenschatz". Vier weitere gemeinsame Kinder überleben das Säuglingsalter nicht. 18 Jahre lang leben Goethe und Christiane Vulpius ohne Trauschein zusammen, was für die Frau bedeutet: ohne Absicherung. In der Nacht zum 15. Oktober 1806 plündern die Soldaten Napoleons Weimar. Sie dringen auch in Goethes Haus ein. Schon zwei Tage später schreibt Goethe an den Weimarer Hofprediger: "Ich will meine kleine Freundin, die so viel an mir getan und diese Stunde der Prüfung mit mir durchlebte, völlig bürgerlich anerkennen als die Meine."
Die Hochzeit findet am 19. Oktober 1806 statt. Trauzeuge sind der 16-jährige Sohn August und sein Hauslehrer. Eine Feier gibt es nicht. Zehn Jahre lang ist Christiane Vulpius "Geheimrätin von Goethe". Sie stirbt am 6. Juni 1816 mit 51 Jahren nach tagelangen fürchterlichen Schmerzen an Nierenversagen. Zu ihrer Beerdigung geht Goethe nicht. Auf ihren Grabstein lässt er die Zeilen schreiben: "Du versuchst, o Sonne, vergebens, durch die düstren Wolken zu scheinen. Der ganze Gewinn meines Leben ist, ihren Verlust zu beweinen."
Stand: 19.10.06