Als Theodor von Neuhoff an einem Frühlingsmorgen 1736 in der Hafenstadt Aleria anlegt, um König der Korsen zu werden, trägt er ein Phantasiekostüm. Den langen Kaftan aus scharlachroter Seide, die maurische Hose, die gelben Schuhe und den spanischen Hut hat er auf Pump gekauft, ebenso wie das Schiff, die 7.000 Flinten, die Offiziere, Sklaven und Lakaien. Aber die Kostümierung des Glücksritters aus westfälischem Adel erfüllt ihren Zweck: Die staunenden Fischer und Bauern jubeln ihrem zukünftigen Herrscher enthusiastisch zu.Vermutlich wird Theodor von Neuhoff 1694 in Metz geboren. Nach dem frühen Tod des Vaters verbringt er seine Kindheit auf einem Stammsitz der Familie namens Pungelscheid bei Werdohl im Sauerland. Später wird der hübsche Junge bei den Jesuiten in Münster und Köln unterrichtet. Rhetorisch begabt und mit viel Sprachtalent ausgestattet (er spricht sieben Sprachen), vermittelt ihn der Liebhaber seiner Mutter als Page an die Schwägerin Ludwigs XIV., Liselotte von der Pfalz. Die bringt ihn an den Hof des Sonnenkönigs. In Versailles kommt Theodor mit allerlei Hasardeuren und adeligen Aufschneidern in Kontakt. Er beginnt zu spielen. Vor dem Schuldturm retten ihn nur neue Betrügereien und die Flucht. Theodor wird Geheimdiplomat in schwedischen Diensten, verliert als Spekulant in Paris ein Vermögen und heiratet am spanischen Hof eine reiche englische Dame. In London muss er sich als Touristenführer verdingen. Im Spionagedienst des österreichischen Kaisers verschlägt es ihn 1732 nach Italien. Hier hört er erstmals vom Kampf der Korsen gegen die herrschenden Genueser. In Livorno lernt Theodor schließlich die Anführer des Befreiungskampfes kennen, die den redegewandten Mann mit seinen vermeintlich besten Kontakten zu den Höfen Europas als Hoffnungsträger sehen. Sie bitten ihn, ihren Aufstand anzuführen, und bieten ihm im Gegenzug die Königskrone.
Am 15. April 1736 wählen Delegierte aller korsischen Gemeinden Theodor Baron Neuhoff im Kloster von Alesani einstimmig zu ihrem neuen König. Als Theodor I. wird er statt mit der Krone allerdings nur mit einem schlichten Lorbeerkranz gekrönt. Von den Häusern weht seine Flagge: der schwarze Maurenkopf mit Stirnbinde auf weißem Grund, bis heute Symbol des korsischen Freiheitskampfs. Theodor I. schafft die Zölle ab, vereinfacht das Steuersystem, lässt Münzen prägen, gründet eine kleine Armee. Und er setzt eine Verfassung in Kraft: ein demokratischer Akt, der die Monarchen im absolutistischen Europa den Atem stocken lässt. Aber sein Wunsch, die Situation der Bauern zu bessern, stößt beim Adel bald auf Misstrauen, die Kassen leeren sich rapide, der zunächst erfolgreiche Kampf gegen die Genueser scheitert immer wieder an Verrat. Nach nur sieben Monaten Amtszeit verlässt der "König für einen Sommer" seine Insel. Rückkehrversuche sind erfolglos, seine Vergangenheit holt Theodor von Neuhoff ein. In London muss er einige Jahre im Gefängnis verbringen. Er stirbt 1756 völlig mittellos im Armenviertel Soho, in der Wohnung eines Schneiders.
Stand: 15.04.06