Zwischen dem französischen Kurort Dinard und der alten Piratenstadt St. Malo fließt die Rance in den Ärmelkanal. Typisch für diese Flussmündung an der bretonischen Küste sind ihre starken Gezeitenströmungen: Zwischen Ebbe und Flut fällt und steigt der Wasserstand durchschnittlich um zehn Meter - mit Spitzenwerten bis zu 13 Metern. Deshalb wird schon kurz nach dem Zweiten Weltkrieg erwogen, die große Fallhöhe zwischen Ebbe und Flut zur Stromproduktion zu nutzen. Zunächst fehlen aber ausreichend moderne Maschinen. Denn es werden Generatoren benötigt, die sowohl bei Flut als auch bei Ebbe arbeiten. Schließlich beginnt die staatliche französische Kraftwerksgesellschaft Anfang der 60er Jahre mit den Bauarbeiten: Im Flussbett entsteht das weltweit erste Gezeiten-Kraftwerk.
Da es nicht möglich ist, einfach einen Betondamm in das bewegte Wasser zu stellen, werden zunächst zwei halbkreisförmige Fangdämme errichtet. Sie bestehen aus Stahlbeton, sehen aus wie riesige Benzinfässer und sind mit Sand und Steinen gefüllt. So wird eine trockene Baugrube geschaffen, an der das Wasser außen vorbei fließt und innen ein Betontunnel erstellt werden kann. In einer großen Halle in der Mitte des Tunnels werden 24 Turbinen installiert. Ihre Schaufelräder können je nach Fließrichtung des Wassers verstellt werden. Auf der Krone des Dammes verläuft eine Autobahn, die St. Malo und Dinard verbindet. Außerdem verfügt das Kraftwerk über eine Schleusenkammer. So ist durch die Stauung des Flusses der Schiffsverkehr nun auch bei Ebbe bis Dinard möglich. Eröffnet wird das Gezeiten-Kraftwerk am 26. November 1966. Seitdem werden jährlich 544 Millionen Kilowattstunden Strom produziert - ein halbes Prozent des gesamten Elektrizitätsbedarfs Frankreichs.
Stand: 26.11.06