Stichtag

19. Februar 2005 - Vor 5 Jahren: Friedensreich Hundertwasser gestorben

Gerade Linien sind ihm verhasst. "Gottlos" nennt Friedensreich Hundertwasser die Ecken und Kanten unserer gebauten Welt. Auf Architekturbildern und Gebäudefassaden setzt er dem rechtwinkligen Grau seine leuchtend geschwungenen Farbflächen entgegen. Auch bei Plakaten und Buchillustrationen malt er statt Geraden Spiralen, für ihn Symbol des Blutkreislaufs, des Lebens und der Freiheit. 1959 lässt er seine Studenten deshalb eine 16 Kilometer lange Schlange an die Hochschule für Bildende Künste in Hamburg malen, die selbst die Fenster überwuchert. Als es seinen Vorgesetzten zu bunt wird, greift die Polizei ein und beendet die Protestaktion.Seine Schuhe fertigt Hundertwasser selber, verschiedenfarbige Socken und eine Ballonmütze prägen sein eigenwilliges Äußeres. Aber nicht nur bei der Kleidung fordert er Anarchie und Phantasie, auch bei der "dritten Haut" des Menschen: der Architektur. Jeder soll seine gebaute Umgebung selbst gestalten dürfen. Bei den 50 Wohnungen seines berühmten Hundertwasser-Hauses in Wien, inzwischen eine Pilgerstätte für Kunst-Touristen, bestimmen die Bewohner mit, innen wie außen.

"Fensterrecht für alle" heißt die Parole auch bei anderen Bauten des Künstlers: Jeder Mieter soll das Recht erhalten, bei jener Fläche mitzureden, die seine Arme aus dem Fenster heraus umspannen können. Trotz aller Mitsprache ist jedes Haus des Künstlers ein "echter Hundertwasser", unverwechselbar im Stil: Fenster, die aus der Reihe tanzen, goldene Zwiebeltürmchen, bunt bemalte Wände - und keine gerade Linie. Dafür gibt es immer wieder eine Spirale aus Keramik, die alle Wohnungen durch ein endloses Band des Lebens verbindet.
Seit 1977 lebt Hundertwasser in Neuseeland, besonders gern auf dem umgebauten Transportkutter "Regentag": benannt nach dem Wetter, bei dem er am liebsten malt. 2000 besteigt der 71-Jährige das Kreuzfahrtschiff "Queen Elizabeth II", um nach Europa zu reisen. Am 19. Februar stirbt er bei der Überfahrt an Herzversagen. Im Gepäck findet sich ein letzter Entwurf, zu dem Fotos von Zebras gehören. Vielleicht wollte der Spiralenmaler den vernunftbetonten Europäern zeigen, wie gottlos sie bei den Zebrastreifen ihrer Straßen mit den verschlungenen Linien der Tierhaut umgegangen sind.


Stand: 19.02.05