Als die Verhandlungen beginnen, ist von Entspannungspolitik noch keine Rede. Die Manager der Essener Ruhrgas AG und des staatlichen sowjetischen Konzerns Gasprom haben anscheinend schon im Sommer 1969 keine ideologischen Berührungsängste mehr: "Ich muss sagen, dass wir in unseren Gesprächen nichts von irgendwelchen unterschiedlichen politischen System gemerkt haben", erinnert sich Eberhard Kranz, Mitglied der deutschen Delegation. Dabei hat der Deal, den die Geschäftsleute aushandeln, Eisbrecherqualität im kalten Krieg.Das wird aber erst neun Monate später deutlich, als das Geschäft in trockenen Tüchern ist: Da regiert in Bonn Willy Brandt mit einer sozial-liberalen Koalition und bereitet die höchst umstrittenen Ost-Verträge mit Moskau vor. Am 1. Februar 1970 treffen sich sein Wirtschaftsminister Karl Schiller und der sowjetische Außenhandelsminister Patolitchew im Essener Hotel Kaiserhof. Sie geben der Vertragsunterzeichnung zwischen Ruhrgas, Gasprom und einer deutschen Bankengruppe politisches Gewicht. Inhalt der Abmachung: Die Sowjetunion liefert ab 1973 eine halbe Milliarde, ab 1978 drei Milliarden Kubikmeter Erdgas jährlich an Deutschland. Im Gegenzug liefert Mannesmann 1,2 Millionen Tonnen Großrohre an die Sowjetunion, die damit ihre Gaspipelines ausbaut. Und schließlich gewähren die großen deutschen Banken der UdSSR einen zinsgünstigen Kredit über 1,2 Milliarden D-Mark.
Das Geschäft stößt im Westen auf viel Kritik: Die Nato-Partner argwöhnen eine allzu starke Annäherung Deutschlands an den Ostblock. Die Opposition in Deutschland fürchtet die Abhängigkeit von sowjetischen Energielieferungen. Auf Dauer tritt eher das Gegenteil ein: Deutsche Unternehmen engagieren sich in der russischen Energiewirtschaft. Heute ist ein Eon-Ruhrgas-Manager das einzige ausländische Mitglied im Direktorenrat der Gasprom.
Stand: 01.02.05