Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) ist tief bewegt. Nach zähen Verhandlungen mit Moskau ist es ihm 1955 endlich gelungen, die letzten deutschen Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion freizubekommen. Jetzt streift er mit einem Tross aus Journalisten durch das Durchgangslager Friedland, wo die erschöpften Heimkehrer eine erste Bleibe finden. Vor laufender Kamera trifft der Bundeskanzler auf Vater und Sohn Scholz, die sich vor drei Jahren in Stalingrad wiedergefunden haben. Heute Nachmittag soll es endlich nach Hause gehen. "Wo sind Sie denn zuhause?" fragt Adenauer. "In Nienburg an der Weser", antwortet Vater Scholz. "Ja", sagt Adenauer, "da hammse's ja nicht so weit."Tatsächlich haben die Ex-Soldaten Scholz den größten Teil ihrer Odyssee schon hinter sich. Sie sind im heutigen Niedersachsen angekommen. In Friedland, im Grenzland dreier Besatzungszonen, hat die britische Militärverwaltung gleich nach dem Krieg ein ehemaliges Versuchsgelände der Universität Göttingen beschlagnahmt, die Stallgebäude hergerichtet und ein paar Holzverschläge und Zelte für die Menschenströme aus dem Osten aufgestellt. Am 26. September 1945 wird das Lager eröffnet, das laut Befehl "der Durchschleusung und der ersten Betreuung von Evakuierten und Flüchtlingen" dienen soll. Später werden Wellblechhütten errichtet, noch später Häuser aus festem Stein. Da hat sich das vorläufige Grenzdurchgangslager längst darauf eingestellt, zu einer beständigen Einrichtung zu werden.
Das Lager Friedland gibt es noch. Bis jetzt wurden hier vier Millionen Menschen aufgenommen. Inzwischen prägen Spätaussiedler aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion das Bild. Für sie wie für die Kriegsheimkehrer aus Stalingrad ist das Durchgangslager zu einem Symbol der Hoffnung und des Neuanfangs geworden. "Heimkehr aller, die noch draußen sind" heißt wie zu Adenauers Zeiten in gewisser Weise immer noch das Ziel.
Stand: 26.09.05