Maik Klingenberg kann Andrej Tschichatschow, genannt Tschick, von Anfang an nicht leiden. "Tschick war ein Asi und genauso sah er aus", heißt es im Roman "Tschick" (2010) von Wolfgang Herrndorf über den russischen Spätaussiedler, der eines Tages Maiks Klassenkamerad wird. Als die 14-Jährigen als einzige der Klasse nicht zur Party der Klassenschönheit Tatjana eingeladen sind, fahren sie mit einem geklauten Lada in einer Odyssee durch Ostdeutschland – und werden dabei Freunde.
Mit "Tschick" schreibt Herrndorf einen Klassiker der zeitgenössischen Jugendbuchliteratur.
Am Rand der Existenz
Geboren wird Herrndorf 1965 in Hamburg. Zunächst will er Maler werden, weswegen er an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg studiert. Tatsächlich aber verdingt er sich später als Illustrator des Haffman Verlags und der Satirezeitschrift "Titanic". Ende der 1990er Jahre zieht er nach Berlin und beginnt, Texte in einem eigenen Blog zu veröffentlichen. 2002 erscheint sein Roman "In Plüschgewittern", eine tragische, zwischen München, Berlin und Frankfurt pendelnde Adoleszenz- und Liebesgeschichte, die zwar gute Kritiken bekommt und in einer überarbeiteten Fassung im Rowohlt Verlag erscheint, trotzdem aber nur mäßig erfolgreich ist.
2007 gibt Herrndorf, ebenfalls mit geringem Erfolg, einen Band mit eigenen Kurzgeschichten heraus. Zu dieser Zeit lebt der Autor am Rand des Existenzminimums in einer Hinterhofwohnung, hat aber zahlreiche Ideen für neue Stoffe. Die aktiviert er, als er 2010 die Diagnose eines tödlichen Hirntumors erhält. Im Angesicht des eigenen Todes stürzt er sich in Arbeit.
Selbstmord als Rettung
Fortan protokolliert Herrndorf in seinem Blog "Arbeit und Struktur" sein Sterben - gemischt mit Erinnerungen an seine Kindheit. Schon ein halbes Jahr nach der Diagnose kommt mit "Tschick" sein populärstes, mehrfach ausgezeichnetes und erfolgreich verfilmtes Buch heraus. 2011 erscheint Herrndorfs letzter vollendeter Roman "Sand", die labyrinthische, mit Elementen des Thrillers und der Genreparodie durchsetzte Geschichte eines Mannes auf der Suche nach der eigenen Identität, voll eiskalten Humors.
Am 26. August 2013, dem vielleicht letzten Tag, an dem er dazu fähig ist, erschießt sich Wolfgang Herrndorf in Berlin. Sein Roman "Tschick" gehört immer noch zum Kanon der Schullektüre. Mit "Bilder deiner großen Liebe" hinterlässt er ein unvollendetes Fragment.
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Stichtag am 27.08.2018: Vor 135 Jahren: Explosion der Vulkaninsel Krakatau