Der Bau ist ein Muster an exakter Planung: Nach genau 300 Tagen ist das Wembley-Stadion fertig und es kostet nicht mehr als die veranschlagten 750.000 Pfund Sterling. Bei der Eröffnung am 28. April 1923 jedoch erlebt die Arena in Londons Nordwesten das heilloseste Chaos ihrer langen Geschichte.
Fast eine Viertelmillion Menschen strömt in das 127.000 Zuschauer fassende Stadion, um das Pokalfinale von Westham United gegen die Bolton Wanderers mitzuerleben. "Die Tribünen waren völlig überfüllt und eine Menschenmasse flutete den Platz", erzählt Denis Higham, der das Spektakel als Achtjähriger miterlebt hat.
Vom Abriss verschont geblieben
Berittene Polizisten, allen voran ein Constable auf einem Schimmel, drängen die Zuschauer hinter die Seitenlinien. Erst mit 45 Minuten Verspätung kann das Spiel angepfiffen werden. Es geht als "White Horse Cup Final“ in die Geschichte ein und ist das erste von vielen unvergesslichen Partien auf dem "heiligen" Rasen von Wembley.
Zunächst aber dient das Stadion zwei Jahre als Zentrum der Britisch Empire Exhibition, einer Kolonialausstellung, mit der sich Großbritannien als Weltreich darstellt. Den danach geplanten Abriss können Investoren verhindern und Wembley wird Heimstatt der englischen Nationalmannschaft. 1948 eröffnet König Georg VI. dort die ersten Olympischen Spiele nach dem Weltkrieg.
Zwei Daten bleiben untrennbar mit der Herzkammer des englischen Fußballs verbunden. Am 25. November 1953 kassiert die zu Hause ungeschlagene Nationalelf mit einem 3:6 gegen Ungarn die erste Heimpleite ihrer Geschichte. 13 Jahre später, im WM-Endspiel 1966 gegen Deutschland, fällt das heftig umstrittene, aber wohl irreguläre "Wembley-Tor", das England den Weg zum Titelgewinn bahnt.
Neubau an gleicher Stelle
Doch nicht nur Fußballteams, sondern auch bedeutende Rockstars gastieren in Wembley. Das größte Star-Aufgebot bringt Bob Geldof im Juli 1985 zum weltweit aus London und Philadelphia übertragenen Live-Aid-Konzert für die Hungernden in Afrika zusammen. Ihren letzten Höhepunkt erlebt die in die Jahre gekommene Großarena mit dem EM-Finale 1996.
Es ist ein trauriger Schlusspunkt für die Engländer, denn diesmal gewinnt die deutsche Mannschaft. Nach dem Abriss der traditionsreichen Arena wird 2007 an gleicher Stelle das neue Wembley-Stadion eingeweiht. An das Original erinnert nur der Übergang vom Bahnhof zum Stadion. Der heißt White Horse Bridge, zum Gedenken an den chaotischen Platzsturm im Jahr 1923.
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