Der Film ist harter Stoff. Das "Time Magazine" hat den Disney-Film "Bambi" auf seine Liste der 25 schlimmsten Horrorfilme gesetzt. Denn er zeigt eine der traurigsten Szenen der Filmgeschichte. Der kleine Hirsch Bambi trabt verzweifelt durch den Schnee und ruft nach seiner toten Mutter, die von Jägern erschossen wurde. "Du brauchst auf deine Mutter nicht mehr zu warten. Die Jäger haben sie. Du musst jetzt tapfer sein", sagt sein Vater zu ihm, der große König des Waldes. Viele Kinder verlassen die Kinosäle tränenüberströmt, erinnern sich jahrelang an den frühen Schock.
"Bambi" ist anders als die Disneyfilme vor ihm. "In Bambi blieben die Tränen unvergessen. Trotz viel Humor, Schönheit und Verzauberung kann auch eine ganze Lebenszeit die Erinnerung an den Schuss nicht auslöschen, der Bambis Mutter tötete und das Gefühl der Qual, das wir mit dem einsamen, kleinen Hirsch teilten. … Realität und Wahrhaftigkeit sind die Stärken der Story und der Hauptgrund, warum Bambi ein so anderer Film wurde", schreiben Ollie Johnston und Frank Thomas in ihrem Buch "Walt Disney’s Bambi. The Story and the Film."
Zu sehen sind die Jäger nie, stehen aber in diesem Film für das Böse schlechthin. In den USA protestieren die Jagdverbände. Die Weltpremiere am 8. August 1942 wird vorsichtshalber vom US-Bundesstaat Maine nach London verlegt. Trotz Jägerprotesten und vielen Kindertränen wird der Film ein großer Erfolg und mehrere Male wiederaufgeführt, zuletzt 1993.
Die Rehe in "Schneewittchen" erinnern an Mehlsäcke
Bereits 1937 bringt Walt Disney mit "Schneewittchen" seinen ersten abendfüllenden Zeichentrickfilm ins Kino. Eigentlich soll "Bambi" als zweiter Film direkt danach folgen. Doch die Vorarbeiten für den Film sind so aufwendig, dass sie sich über sieben Jahre hinziehen. "Pinoccio" (1940), "Fantasia" (1940) und "Dumbo" (1941) werden schließlich zuerst veröffentlicht.
Das liegt auch an Disneys Perfektionismus. "'Schneewittchen, 'Pinocchio' und die anderen Filme hatten ziemlich offensichtliche Zeichentrick-Charaktere. Bei 'Bambi' brauchten wir feinere Animationen, die näher am echten Leben sind", sagt er.
Selbstkritisch stellt man im Studio fest, dass die Rehe in "Schneewittchen" an Mehlsäcke erinnern. Diesmal will es Disney besser machen – aus Respekt vor der Vorlage des Österreichers Felix Salten, dem Buch "Bambi. Eine Lebensgeschichte aus dem Walde" (1923).
"Um die Tiere zu studieren, brachten wir junge Hirsche in die Studios und ließen sie Heu fressen, damit sie ruhig blieben. Unsere Künstler zeichneten sie dann", erinnert sich Walt Disney. Die anatomisch korrekt gezeichneten Tiere bekommen im Film allerdings riesige Kulleraugen und die Züge von Kleinkindern.
Film zeigt Verlauf der Jahreszeiten
Der Film beginnt mit Bambis Geburt, zu der alle Bewohner des Waldes herbei strömen, auch das vorwitzige Wildkaninchen Klopfer, heimlicher Star der Geschichte. "Bambi" zeigt die Natur des Waldes im Verlauf der Jahreszeiten. Durch das spezielle Verfahren der Multiplan-Kamera wirken die aufwendig gezeichneten Hintergründe des Films fast dreidimensional.
Den Text hält Walt Disney bewusst knapp: Er umfasst nur rund 950 Wörter. "Es sollten hauptsächlich die Handlung und die Musik sein, die den Film tragen. Letztendlich hatten wir dann sogar 200 Wörter mehr als eigentlich geplant." Die Filmmusik begleitet die Szenen mit punktgenauen Effekten. Das unheimliche Thema der Jäger soll später Vorbild für den Soundtrack des Spielberg-Films "Der Weiße Hai" von 1975 gewesen sein.
Von Hirschen und Rehen
Übrigens ist Bambi kein Reh, sondern ein Weißwedelhirsch – weil es in den USA keine Rehe gibt. Der Fehler bei der Synchronisation hat allerdings dazu geführt, dass bis heute nicht wenige Deutsche glauben, der Hirsch sei der männliche Partner des Rehs.
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