"Freiheit! Gleichheit! Brüderlichkeit!", das ist der Schlachtruf der französischen Revolution von 1789. Und die Revolutionäre sind nicht nur an der Gleichheit unter den Menschen interessiert, sondern auch an der von Maßeinheiten.
"Jede Stadt hatte ihr eigenes Längenmaß, teilweise abgenommen von der Armlänge des Herrschers. Und das war zur Zeit der französischen Revolution ein Dorn im Auge jedes aufgeklärten Menschen. Man wollte ein Maß finden, das für alle Leute gilt", erklärt Fritz Riehle von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig.
Sieben Jahre Vermessungen für den Urmeter
Das neue Längenmaß, das man "Meter" nennt, soll den zehnmillionsten Teil der Strecke vom Nordpol zum Äquator betragen und dafür soll ein Teil der Strecke vermessen werden. Das übernehmen die Astronomen Pierre Méchain und Jean-Baptiste Joseph Delambre ab 1791 und messen die Strecke von Dünkirchen bis Barcelona entlang eines Längengrades der Erde. Da im Land die Revolution tobt, brauchen sie sieben Jahre.
Endlich kann ein Platinstab angefertigt werden, der die gewünschte Länge hat – der Urmeter, der von nun an als Referenz dienen soll. Und bei der Gelegenheit entsteht auch gleich das Urkilogramm. Es wird in Abhängigkeit vom Meter definiert: Es entspricht dem Gewicht, das ein Wasserwürfel mit einer Kantenlänge von einem Zehntel-Meter hat.
Am 10. Dezember 1799 werden Meter und Kilogramm in Frankreich per Gesetz als allgemeinverbindliche Einheiten festgelegt. Ende des 19. Jahrhunderts übernehmen andere Nationen das französische Einheitensystem, und Kopien von Urmeter und Urkilogramm werden für viele Länder angefertigt.
Das Urkilogramm verliert Gewicht
Durch Beschädigungen wurden der Urmeter und seine Kopien jedoch ungenau. 1983 einigt man sich deshalb darauf, keinen Gegenstand, sondern die unveränderliche Lichtgeschwindigkeit zur Referenzgröße für Längenmessungen zu machen.
Auch das in einem Pariser Tresor aufbewahrte Urkilogramm aus Platin hat ein Problem: Es verliert Gewicht – und keiner weiß, warum. Wissenschaftler bestimmen deswegen heute das Referenzgewicht zum Beispiel durch die Anzahl der Atome im Kristallgitter einer Siliziumkugel. Da die Atommasse bekannt ist, kann durch die Zählung der Atome das Kilogramm neu definiert werden.
Nach vielen Jahren der Forschung konnte unter anderem mit solchen Methoden im November 2018 auf der internationalen Generalkonferenz für Maß und Gewicht das System der Maßeinheiten revolutioniert werden. Es beruht seit Mai 2019 vollständig auf von der Natur vorgegebenen Konstanten.
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