Links antäuschen, rechts vorbeigehen: Das ist der berühmte "Matthews-Trick", benannt nach dem britischen Rechtsaußen Sir Stanley Matthews, der ihn erfunden haben soll. Reinhard Libuda von Schalke 04 beherrscht ihn perfekt, was ihm den Beinamen "Stan" beschert. "Er war schnell auffe Beine gewesen", erinnert sich Rüdiger Abramczik an sein Vorbild. "Er war ein Typ, der schnell vorbei ist, aber auch mal abgebrochen hat, weil er gesagt hat: 'Komm noch mal, probier es nochmal mit mir.'"
Theo Redder, damals Verteidiger bei Borussia Dortmund, erinnert sich nur ungern an sein zweites Spiel beim BVB, bei dem Stan Libuda sein Gegner war. "Der kam ohne Ende auf mich zu. Ich war ein Blinder im Nebel. Der hat mich schwindelig gespielt. Für mich war das ein Debakel." Dabei hätte Redder vorgewarnt sein müssen. "An Gott kommt keiner vorbei", lautete ein gängiger Spruch auf Schalke. "Außer Stan Libuda".
Mal Welt-, mal Bademeister
Geboren wird Libuda 1943 in Wendlinghausen bei Lemgo. Nach Kriegsende zieht er mit der Familie nach Gelsenkirchen, wo er in einfachen Arbeiterverhältnissen groß wird. 1952 meldet ihn sein Vater beim Fußballclub Schalke 04 an, bereits mit 19 Jahren spielt Libuda in der Bundesliga und in der Fußball-Nationalmannschaft. Eines seiner besten Länderspiele hat er bei der Qualifikation zur Weltmeisterschaft in Mexiko 1970 gegen Schottland, wo er das 3:2 schießt. "Alleine geht er los, hören Sie mal den Jubel", begeistert sich damals auch der Reporter. "Schüttert sie alle ab, die ihn jagen wie einen Hasen."
Trotz seiner überragenden Fähigkeiten bringt es Libuda als Rechtsaußen nur auf 26 Länderspiele. "Deshalb wurde er auch nicht der Weltstar, der er eigentlich sein müsste", wie Rüdiger Abramczik sagt. Das hat vor allem psychologische Gründe, denn Libuda ist nicht immer in der Lage, seine Qualitäten während des Spiels auch abzurufen. "Er hat mal gespielt wie ein Weltmeister und mal wie ein Bademeister", sagt Libudas ehemaliger Mitspieler Rudi Assauer. Einen so krassen Unterschied zwischen Heim- und Auswärtsspielen habe er nie gesehen. "Er brauchte sein Zuhause, sein Umfeld, seine Glückauf-Kampfbahn und das Parkstadion, da hat er sich wohl gefühlt, sicher."
Karriereende wegen 2.500 D-Mark
Bis auf ein dreijähriges Gastspiel beim Erzrivalen BVB, dem er 1966 mit seinem 2:1 gegen den FC Liverpool den Europapokal der Pokalsieger sichert, bleibt Libuda dem FC Schalke treu. Nach seiner Rückkehr 1968 erhält er die Kapitänsbinde, vier Jahre später verpasst er mit seiner Mannschaft, zu der auch Norbert Nigbur, Klaus Fischer und Klaus Fichtel gehören, nur knapp die Meisterschaft. Dafür gewinnt er 1972 gegen den 1. FC Kaiserslautern den DFB-Pokal.
In der Fußball-Bundesligasaison 1970/71 verliert Libuda für 2.500 D-Mark Bestechungsgeld mit Schalke ein Bundesligaspiel, um den Abstieg von Rot-Weiß Oberhausen und Arminia Bielefeld zu verhindern, und wird zur prominentesten Figur im so genannten Bundesligaskandal. Libuda wird gesperrt, dann begnadigt, doch kommt er als Spieler bei Schalke nicht mehr auf die Beine. Mit 33 Jahren ist seine Karriere beendet. Die Scheidung von seiner Frau kostet ihn ein Vermögen, er zieht sich aus dem öffentlichen Leben zurück. Reinhard Libuda stirbt am 25. August 1996 an einem Schlaganfall in Gelsenkirchen.
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