Eine europäische Küche ohne die Kartoffel scheint nur schwer vorstellbar. Tatsächlich hat sich die Kartoffel erst spät als Nahrungsmittel durchgesetzt: im 18. Jahrhundert. "Mit der Einwanderung der Kartoffel in Europa verwandelt sich eine ganze europäische Nahrungsgesellschaft", sagt Karl Heinz Zissow vom Museumsdorf Cloppenburg, wo er eine Ausstellung zur Kartoffel kuratiert hat.
Die Inka lieben Kartoffelchips
Die Geschichte der Kartoffel beginnt in den kargen Hochebenen der Anden, einer unwirtlichen Gegend um die 3.000 Meter hoch, mit kurzen Tagen, kalten Nächten und wenig Regen. Hier wird die Ur-Kartoffel im 16. Jahrhundert zuerst gegessen – und zwar getrocknet. "Die Kartoffel wurde dem Frost ausgesetzt und zertreten. Der Frost kommt einer Gefriertrocknung der Kartoffel gleich. Im Resultat bekommt man etwas, das unseren heutigen Kartoffelchips ähnlich ist", erklärt Karl Heinz Zissow. Die Inka können nicht genug davon bekommen. Spätestens seit sie die Herrschaft über weite Teile Südamerikas übernommen haben, blüht die Kartoffelzucht. Und die Frucht gelangt vom Hochgebirge in die Niederungen und Flusstäler.
1533 erobern die Spanier das Inka-Reich und stoßen bald auf die wohlschmeckenden Knollen. "In allen Häusern der Indios lagerten Trüffeln. Diese Trüffeln haben mehlige Wurzeln von der Größe eines Eis, die von gutem Geschmack sind. Ein für die Indianer sehr angenehmes Gut und ein köstliches Gericht sogar für die Spanier", schreibt Juan de Castellanos am 31. Juli 1537. Es ist die erste schriftliche Erwähnung der Kartoffel. Ein anderer Spanier, Pedro Cieza de Léon, berichtet von einer "Art Erdnüsse, die durch Kochen weich werden wie eine Kastanie und eine Haut wie Trüffeln haben." Die Ureinwohner nennen sie Papas, die Spanier dann Patatas.
Eine Kartoffelkiste für den spanischen König
Wann die ersten Papas über den Atlantik kommen, ist unklar. Vielleicht gelangen sie in der Hosentasche eines Matrosen über den Ozean. Schriftlich bezeugt dagegen ist eine Kartoffelkiste für den spanischen König. "Im Jahre 1565 wurde von den Spaniern eine Kiste mit Papas an König Phillipp II. von Spanien gesandt. Der Monarch entschloss sich, sie als Geschenk an den Papst zu schicken. Der sie zu seiner größten Freude erhielt", schreibt ein Chronist.
Die Italiener nennen sie Tartuffoli; daraus machen die Deutschen die Tartuffeln. Weil der oberirdische Teil der Kartoffel giftig ist, aber hübsch blüht, werden die Kartoffeln zunächst nur als Zierpflanzen angebaut.
Kartoffel ist preiswertes Nahrungsmittel für Soldaten und Arbeiter
Das ändert sich, als Friedrich der Große 1740 die Macht übernimmt. Der König wird Krieg führen – und weiß, dass Kriege auch über den Magen gewonnen oder verloren werden. "Im Unterschied zum Getreide ist die Kartoffel zusammen mit Milch ein Vollnahrungsmittel. Man kann sich fast ausschließlich von Kartoffeln und Milch ernähren", sagt der Kartoffelexperte Karl Heinz Zissow.
Nach und nach kommt die Kartoffel in den deutschen Küchen an. Vor allem in der Zeit der Industrialisierung gilt sie als preiswertes Nahrungsmittel für die Arbeiter. "Diese stärkehaltige Kartoffel ist das prädestinierte Nahrungsmittel für kraftraubende, industrielle Tätigkeit. Wir haben um 1900 in der Bevölkerung einen Kartoffelkonsum von fast einem Kilogramm pro Tag und Kopf", sagt Zissow.
Inzwischen ist der Verbrauch in Deutschland zurückgegangen: auf rund 60 Kilogramm pro Kopf und Jahr. Andere essen viel mehr: Zum Beispiel die Russen als Spitzenreiter mit 250 Kilogramm pro Kopf und Jahr.
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 31. Juli 2017 ebenfalls an die Entdeckung der Kartoffel. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
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