Anfang des 20. Jahrhunderts besucht Harry Gordon Selfridge London und ist von den mickrigen Kaufhäusern mit schlechtem Service überrascht. Als junger Mann hatte der US-Amerikaner Regale in einem Warenhaus aufgefüllt und sich zum Junior Partner hochgearbeitet. Jetzt ist er Millionär und mit knapp 50 Jahren im Ruhestand.
Schon in der Ausbildung hat Selfridge gelernt: "Der Kunde ist König". Nach diesem Grundsatz hat er das Kaufhaus in Chicago geleitet. Er hat die großen Warenhäuser in Berlin, Wien und das berühmte Pariser Bon Marché kennengelernt. Doch mit ihnen kann sich in London keines messen.
Erhaben wie eine Kirche
Kurzerhand beschließt Selfridge, den Engländern stilvolles Einkaufen beizubringen. Dazu lässt er ein großes Gebäude an der Oxford Street bauen, die damals noch etwas außerhalb des Zentrums liegt, aber schon eine eigene U-Bahn-Station besitzt.
Hier findet er den Platz für seine Vision: "Ein Geschäft, das jeden Tag öffnet, sollte so prachtvoll und – auf eine gewisse Art – erhebend sein, wie eine Kirche oder ein Museum." Klassische Säulen, riesige Schaufenster und aufwendig verzierte Türen machen den Baukomplex mondän.
Ein Nobelkaufhaus für jedermann
Innen sollen exklusive Produkte, schicke Restaurants und eine Bibliothek vor allem die betuchte, meist weibliche Käuferschaft ansprechen. Zugleich soll das neue Kaufhaus Selfridges offen für jedermann sein. Damit wirbt man in großen Zeitungsanzeigen.
Zur Eröffnung am 15. März 1909 kommen Tausende, auch viele, die zuvor noch nie ein Kaufhaus betreten haben. "Ich möchte, dass sie sich an Licht und Wärme erfreuen, an Farben und Formen, an dem Gefühl feiner Stoffe", sagt Selfridge.
Gute Unterhaltung fördert den Konsum
Tatsächlich sind die meisten Kunden überwältigt beim Anblick der hellen, prächtigen Räume. Die Artikel liegen auf Tischen, dürfen angefasst und verglichen werden. Ein weiterer Clou: Die Parfümabteilung im Eingangsbereich sorgt für einen angenehmen Duft als Kontrast zum Gestank auf den Londoner Straßen.
Bei Selfridges wird Einkaufen zum Erlebnis: Mal kann man Flugzeuge, kostbare Bücher, Kunst oder seltene Diamanten bewundern. Dann wieder erteilt ein Wimbledon-Sieger Tennisstunden auf dem Dach.
Das Motto von Harry Gordon Selfridge: "Begeistere den Verstand, dann greift die Hand zum Portemonnaie", geht auf. Auch mehr als ein Jahrhundert nach der Gründung zieht Selfridges jedes Jahr Millionen von Kunden – oder besser Gästen – an.
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 15. März 2019 ebenfalls an Harry Gordon Selfridge. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
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