Archivbild: Umgeknickte Strommasten stehen auf einem Feld

Stichtag

25. November 2005 - Schneechaos im Münsterland

Das Unheil kommt von Skandinavien über die Nordsee ins Münsterland: Tief "Theobald" bringt am 25. November 2005 Schnee, viel Schnee. Zwölf Stunden fallen ununterbrochen schwere, nasse Flocken vom Himmel, von Winterromantik keine Spur. Als Erstes bricht der Verkehr zusammen. "Besonders dramatisch ist die Lage in den Kreisen um Münster herum. Einzelne Strecken sind wegen umgefallener Bäume und Schneeverwehungen gesperrt", berichtet WDR-Reporterin Nicole Albers. Auch bei der Deutschen Bahn geht nichts mehr: Für die in Münster festsitzenden Reisenden öffnet der Bahnhof den Bunker für die Nacht.

Schlimmer noch: Der sehr nasse Schnee legt sich um die frei hängenden Stromleitungen und wird zu einem mehrere Tonnen schweren Eismantel. Als dann noch starker Wind die Eiskabel ins Schwingen bringt, halten die Masten dem Gewicht nicht stand. Die Stahlgerüste knicken wie Streichhölzer um, der Dominoeffekt reißt weitere mit. Zunächst wird das Material namens Thomasstahl dafür verantwortlich gemacht, spätere Überprüfungen ergeben jedoch, dass allein die extreme Wettersituation dazu führt, dass die Masten reihenweise umknicken. Insgesamt brechen 82 Strommasten unter der Last zusammen und kappen die Stromversorgung von 250.000 Menschen. Es folgt der bis heute größte Blackout in der Geschichte der Bundesrepublik.

Kühe schreien vor Schmerzen

Auf der A31 liegt ein kaputtes Stromkabel mitten auf der Fahrbahn. "Die Autofahrer dürfen seit Stunden nicht aussteigen und nicht weiterfahren, verständlicherweise sind sie mittlerweile mit ihren Nerven am Ende", berichtet Albers. Diese Informationen erreichen die meisten Menschen im Münsterland nicht mehr, sie sind abgeschnitten vom Rest der Republik: kein Licht, keine Heizung, kein Telefon, kein Radio und Fernsehen.

Schnell kühlen die Wohnungen aus, die Raumtemperaturen sinken in den einstelligen Bereich. Campingkocher werden hervorgekramt, längst vergessene Feuerstellen wiederbelebt. Wettermann Sven Plöger macht wenig Hoffnung auf baldige Besserung: "Es kommt tatsächlich noch ein bisschen was bei, würde ich sagen." Die Feuerwehren arbeiten rund um die Uhr. Mit Notstromaggregaten werden Gemeindesälen beheizt, wo sich die Menschen aufwärmen und mit heißen Getränken versorgt werden.

RWE in der Kritik

Für die vielen Landwirte im Münsterland ist die Lage existenzbedrohend: Ohne Elektrizität werden die Ställe nicht belüftet, die Tiere drohen zu ersticken. Auch Fütterungsanlagen und Melkmaschinen stehen still, pralle Euter bereiten den Kühen große Schmerzen. Aus dem ganzen Land werden Notstromaggregate ins Münsterland geschafft. Doch auch zwei Tage später, am 27. November 2005, sind viele noch immer ohne Strom. Besonders hart trifft es die Gemeinde Ochtrup. Hier schaffen es die Hilfskräfte immerhin, dass der Supermarkt am Sonntag öffnet. Anstehen für Brot, Batterien und Kerzen - das kennen nur noch die Älteren.

Während die Menschen im Münsterland noch ohne Strom gegen Dunkelheit und Kälte kämpfen, verkündet Versorger RWE bereits, dass man zwar die durch den Ausfall entstandenen Schäden bedauere, aber der Konzern dafür nicht haftbar zu machen sei. Es prasselt harsche Kritik auf RWE ein. Der Versorger versucht, den Imageschaden zu begrenzen und richtet einen fünf Millionen Euro umfassenden Härtefallfonds für besonders betroffene Bürger ein.

Fünf Tage, zwei Stunden und 25 Minuten dauerte es, bis es überall wieder hell wird. Neun Monate später feiern die Medien einen "Babyboom nach dem Stromausfall". Statistisch lässt sich dieser jedoch nicht belegen.

Stand: 25.11.2015

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