1. Juli 1977 - Neues Scheidungsrecht tritt in Kraft

Stand: 01.07.2017, 00:00 Uhr

Bei seinem Amtsantritt 1969 kündigt Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) eine Neuordnung des Scheidungsrechts als "gesellschaftspolitisches Ereignis" an. Doch das Gesetzesvorhaben stößt auf Widerstand. Die Verhandlungen mit der CDU/CSU-Opposition stocken. Das Reformvorhaben stelle die besondere Rolle des Mannes als Familienoberhaupt infrage, ist zu hören.

Die katholische Kirche fürchtet, das neue Gesetz erleichtere die Auflösung des heiligen Sakraments der Ehe. Tatsächlich erschwert die alte Regelung eine Trennung: "Wenn die Ehe zerrüttet war", sagt Uta Roessink, Fachanwältin für Familienrecht in Köln, "konnten die Ehegatten sich damals gegen den Willen eines Ehegatten nicht scheiden lassen."

Neues Scheidungsrecht in Kraft (am 01.07.1977) WDR 2 Stichtag 01.07.2017 04:14 Min. Verfügbar bis 29.06.2027 WDR 2

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Wer ist schuld?

Damals ist eine Scheidung nur bei Feststellung der Schuld eines Ehepartners oder beider Ehepartner möglich. Wer den Ehegatten "böswillig" verlässt, wird schuldig geschieden. Das bedeutet aber, weder das Sorgerecht für die Kinder noch Unterhaltszahlungen zu bekommen.

"Das neue Recht will in dem Falle eines solchen Scheiterns nicht in erster Linie strafen und ahnden, sondern helfen und dafür sorgen, dass Eheleute ohne Hass, mit einem Minimum an Bitterkeit und einem Maximum an Fairness auseinander gehen", wirbt Bundesjustizminister Hans-Jochen Vogel (SPD) für eine Neuregelung.

Entscheidung mehrmals verschoben

Doch Teile der Opposition wettern, die Reform sei frauen- und männerfeindlich. "Die Ehe wird eine unverbindliche, leicht scheidbare Gelegenheitsgesellschaft, die den ehetreuen Ehegatten weit weniger schützt als das Mietrecht den vertragstreuen Mieter", sagt der CDU-Bundestagsabgeordnete Carl Otto Lenz.

Die Entscheidung über das neue Gesetz wird mehrmals hinausgeschoben. Schließlich passiert die Reform - auch mit Stimmen der Opposition - Bundestag und Länderkammer. Am 1. Juli 1977 tritt das neue Scheidungsrecht schließlich in Kraft.

Zerrüttung als Kriterium

"Damals ist die Macht der Paschas zusammengebrochen und das nehmen sie Frauen, die da mitgearbeitet haben, zum Teil heute noch übel", sagt die damalige SPD-Bundestagsabgeordnete Herta Däubler-Gmelin rückblickend.

"Wir haben jetzt das Zerrüttungsprinzip", erklärt Rechtsanwältin Roessink. "Wenn ein Ehepaar faktisch mehr als ein Jahr getrennt gelebt hat, dann kann die Scheidung der Ehe ausgesprochen werden." Früher sei bei Scheidungen automatisch eine Sorgerechtsentscheidung getroffen worden. Heute stehe das Kindeswohl an erster Stelle.

Familienrechtliche Reformen

Das Scheidungsrecht von 1977 gilt auch heute noch. "Aber wir haben natürlich insgesamt in dem System des familienrechtlichen Verfahrens verschiedenste Reformen gehabt", sagt Fachanwältin Roessink. Dazu gehöre vor allem die Unterhaltsreform im Jahr 2008. Demnach sollen insbesondere geschiedene Frauen schneller für ihren eigenen Lebensunterhalt sorgen.

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