Im Sommer des Jahres 1934 treffen sich zwei Männer an der Küste von South Carolina: der Komponist George Gershwin aus New York und der Schriftsteller DuBose Heyward aus Charleston, dem einstigen Zentrum des Sklavenhandels in den USA. Wochenlang lassen sie sich inspirieren von der Kultur der Gullah, den Nachfahren von Sklaven aus Sierra Leone.
Zehn Jahre zuvor hat Heyward seinen Roman "Porgy" veröffentlicht. Darin schildert er die Liebesgeschichte zwischen einem verkrüppelten Bettler und einer Prostituierten.
Ihr Leben ist geprägt von Armut, Hoffnung und Gewalt. Gershwin entdeckt in dem Buch den Stoff für eine Oper: "Porgy and Bess".
Eine moderne amerikanische Oper
Gershwin ist 26 Jahre alt, als er 1924 mit seiner "Rhapsody in Blue" zu einem der erfolgreichsten Komponisten des 20. Jahrhunderts aufsteigt. Auf ganz neue Weise verbindet er Amerikas moderne Musik mit klassisch-symphonischen Kompositionen. "Ein Amerikaner in Paris" macht Gershwin 1928 weltweit bekannt.
Mehr als ein Jahr arbeitet Gershwin mit Heyward und seinem Bruder Ira an "Porgy and Bess", seiner ersten Oper, die über drei Stunden dauert. Er schreibt ergreifende Melodien, zeichnet mit Soli und Duetten eindrückliche Charaktere und komponiert virtuose Orchesterpartien, in denen Jazz, Blues und Spirituals anklingen.
Ausschließlich schwarzes Ensemble
Die tragische Love-Story um den lahmen Bettler Porgy, der aus Liebe zum Mörder wird, spielt 1870 unter den farbigen Bewohnern der Catfish Row, einer Vorstadt von Charleston. Am 30. September 1935 erlebt "Porgy and Bess“ in Boston seine Uraufführung. Erstmals steht dabei ein ausschließlich farbiges Ensemble auf der Bühne - zu einer Zeit, als Rassenunruhen die USA erschüttern.
Das Publikum in Boston nimmt "Porgy and Bess" begeistert auf. Gershwin selbst meint: "Diese Musik ist so großartig, dass ich kaum glauben kann, dass ich sie geschrieben habe."
Doch die Inszenierung am Broadway kann die Erwartungen nicht erfüllen. Kritiker monieren, Gershwin habe einen unausgereiften Stilmix komponiert, der keine Oper, sondern "nur" ein Musical sei.
Früher Tod des Komponisten
Nach 124 Aufführungen wird "Porgy and Bess" am Broadway abgesetzt. Den späteren Welterfolg erlebt Gershwin nicht mehr. Am 11. Juli 1937 stirbt er an einem Hirntumor.
Viele der Songs aus "Porgy and Bess" wie "Summertime" werden zu Jazz-Standards, interpretiert von Ella Fitzgerald, Louis Armstrong und Frank Sinatra. 1984 landet Jimmy Somerville mit "It ain't necessarily so" sogar einen Riesen-Pophit.
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 30. September 2020 ebenfalls an "Porgy and Bess". Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
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