Die Erfindung des Fahrrads hätte es ohne die Hungersnot der Jahre 1816 und 1817 nicht gegeben. Davon jedenfalls ist der deutsche Physiker und Technikhistoriker Hans-Erhard Lessing überzeugt.
Ein Jahr zuvor ist auf Java der Vulkan Tambora ausgebrochen, der damit das Klima global beeinflusst und Europa das "Jahr ohne Sommer" beschert. Im Rahmen des damit verbundenen Futter- und Nahrungsmangels seien unter anderem auch sehr viele Pferde gestorben, sagt Lessing. Und dies habe Karl Freiherr von Drais dazu veranlasst, als neue Form der Fortbewegung sein Laufrad zu erfinden.
Mobilität auf zwei und vier Rädern
Geboren wird Drais 1785 in Karlsruhe. Von 1803 bis 1805 studiert er Architektur, Landwirtschaft und Physik in Heidelberg, 1810 wird er badischer Forstmeister ohne Forstamt, acht Jahre später Professor für Mechanik. Zu dieser Zeit widmet er sich aber vor allem seinen Erfindungen, darunter eine "Notenschriftmaschine" und ein vierrädriger, mittels Kurbel bewegter "Wagen ohne Pferde".
Am bekanntesten allerdings wird die Lauf-Maschine, die Drais zu Pfingsten 1817 testet: ein ausgeklügeltes, höhenverstellbares Gerät mit Abstellständer, Bremse und Gepäckträger und Taschen an beiden Seiten. Pedalen hat das Laufrad keine – Balancieren ist den Menschen damals aber ohnehin nicht geheuer. Für die rund 13 Kilometer lange Teststrecke braucht Drais eine knappe Stunde. Damit ist seine "Draisine", für die er am 12. Januar 1818 ein Patent erhält, schneller als die Postkutsche.
Unfreiwillig in den Mühlen der Politik
Mit seiner Lauf-Maschine ist Drais offenbar sehr erfolgreich. Das ändert sich 1820, als sich sein Vater, der höchste Richter Badens, beim Großherzog gegen ein Gnadengesuch für den Studenten und Burschenschaftler Karl Ludwig Sand ausspricht. Für sein Attentat auf den Schriftsteller August von Kotzebue wird Sand daraufhin zum Tode verurteilt, was die radikalen Studenten auch gegen Drais aufbringt. "Die Studenten waren die Hauptnutzer, und jetzt war plötzlich ihr Idol vom Vater des Erfinders um einen Kopf kürzer gemacht worden", sagt Lessing. "Und darauf haben sie den Sohn gemobbt im ganzen Deutschen Bund."
In Europa werden zu dieser Zeit ohnehin schon so viele Kopien seiner Lauf-Maschine produziert, dass Drais nicht wieder auf die Beine kommt: Das Patent auf seine Draisine ist nämlich nur in Baden gültig. Dass Drais sich später den Revolutionären anschließt und 1849 auf seinen Adelstitel verzichtet, hilft ihm nichts. Auch seine weiteren Erfindungen, darunter eine Schnellschreib- und eine Kochmaschine, finden keinen Absatz. Von der Jugend verspottet, verfällt Drais immer mehr dem Alkohol. Er stirbt 1851 in seiner Geburtsstadt Karlsruhe.
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