1. März 1956 - Gründung der Nationalen Volksarmee

Stand: 01.03.2016, 00:00 Uhr

Die Nationale Volksarmee ist in fast allen Lebensbereichen der DDR präsent. Auch Kinder werden indoktriniert - zum Beispiel im Rundfunk anlässlich des NVA-Ehrentages am 1. März: "Und greift uns jemand an, so hat er nichts zu lachen, die Volkssoldaten wachen und stehen ihren Mann", singt ein Erstklässler in einer Kindersendung. NVA-Offiziere besuchen auch Schulen, um die älteren Schüler in Einzelgesprächen in Anwesenheit eines Lehrers davon zu überzeugen, nach der 18-monatigen Wehrpflicht noch einen "Ehrendienst" zu versehen. Für einen Platz an der "Erweiterten Oberschule", dem Gymnasium, war eine Verpflichtung zu einem dreijährigen Wehrdienst unausgesprochene Bedingung.

Offiziell gegründet wird die NVA am 1. März 1956 - angeblich als Reaktion auf die Schaffung der Bundeswehr. Doch vor der Volksarmee gibt es bereits die "Kasernierte Volkspolizei", die 1952 militärische Dienstgrade einführt und 100.000 "Polizisten" umfasst. Im selben Jahr sagt Franz Dahlem, Mitglied des SED-Politbüros, auf einer Parteikonferenz: "Der Kriegsbestie gegenüber muss die Menschheit gerüstet sein, wenn sie es wagen sollte, die friedliebenden Völker wieder zu überfallen." Deshalb müsse zur Verteidigung des Sozialismus und des Friedens "eine kampfkräftige nationale Volksarmee" geschaffen werden.

Wehrmacht-Personal eingesetzt

Nach der Gründung der Bundeswehr im November 1955 beschließt die Volkskammer am 18. Januar 1956, eigene Streitkräfte zu bilden. Die Begründung liefert Willy Stoph, damals Stellvertretender Vorsitzender des Ministerrates der DDR: "In Westdeutschland wurde der Militarismus, der in der Vergangenheit durch seine Eroberungskriege so viel Unheil und Leid über das deutsche Volk und über die Völker Europas gebracht hat, wiedererrichtet." Er verspricht, die Annahme des Gesetzesentwurfs bedeute nicht die Einführung der Allgemeinen Wehrpflicht. Sechs Jahre später geschieht dies dennoch.

Wie die Bundeswehr greift auch die NVA auf Personal der Wehrmacht zurück - so auch auf Generalleutnant Vincenz Müller, der 1894 in Bayern geboren wurde. Er diente zunächst unter Kaiser Wilhelm II., den Reichspräsidenten Friedrich Ebert und Paul von Hindenburg, dann unter Adolf Hitler. 1944 kommandierte Müller an der Ostfront die vierte Armee, als 50.000 Soldaten die Einkesselung durch die Rote Armee drohte. Er ergab sich zusammen mit seinen Einheiten und ging in sowjetische Gefangenschaft. Von dort appellierte er an die anderen deutschen Soldaten: "Beendet den sinnlosen Kampf, stürzt das unheilvolle nationalsozialistische System und tut damit den ersten Schritt in eine bessere Zukunft."

Keine Verweigerung des Militärdienstes möglich

Als Müller 1948 aus der Kriegsgefangenschaft entlassen wird, geht er in die sowjetische Besatzungszone. Sein neuer Dienstherr ist DDR-Mitbegründer Walter Ulbricht. Für ihn ist er am Aufbau der "Kasernierten Volkspolizei" und an deren Umwandlung in die NVA beteiligt. Schließlich wird Müller zum stellvertretenden Verteidigungsminister der DDR ernannt. Dennoch wird er von der Staatssicherheit überwacht. 1957 beschließt das SED-Politbüro, Müller - und mit ihm die Mehrheit der anderen ehemaligen Wehrmachtsgeneräle - aus der NVA zu entlassen. Vier Jahre später bringt er sich um, was in den DDR-Medien verschwiegen wird.

Nach der Einführung der Wehrpflicht 1962 wächst die NVA auf eine Stärke von 170.000 Soldaten. 12.700 davon sind inoffizielle Mitarbeiter der Stasi. Der Militärdienst kann nicht verweigert werden. Wer den Dienst an der Waffe nicht antreten will, wird Bausoldat - eine Möglichkeit, die allerdings erst zwei Jahre nach Einführung der allgemeinen Wehrpflicht eingerichtet wird. Ungefähr ein Prozent der Wehrpflichtigen nutzt diese Chance: Bausoldaten haben in der DDR einen schweren Stand.

Das Ende der DDR 1990 ist auch das Ende der NVA. Nach deren Auflösung macht die Bundesrepublik ein gutes Geschäft mit dem Verkauf moderner DDR-Waffen. Besonders begehrt sind im Ausland Panzer und Jagdflugzeuge. Das restliche Gerät der Nationalen Volksarmee wird verschenkt oder verschrottet.

Stand: 01.03.2016

Programmtipps:

Auf WDR 2 können Sie den Stichtag immer gegen 9.40 Uhr hören. Wiederholung: von Montag bis Samstag um 18.40 Uhr. Der Stichtag ist nach der Ausstrahlung als Podcast abrufbar.

"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.05 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 1. März 2016 ebenfalls an die Gründung der NVA. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.