"Alle tanzten mit dem Tod" heißt es im Prolog zu "Elisabeth" und der Tod ist hier ein Meister aus Österreich. Mit all seiner Verführungskunst umschmeichelt und benebelt er die schöne Kaiserin, ihr ganzes Leben lang. Todessehnsüchtig flirtet Elisabeth mit dem Sensenmann, doch in sein Reich locken lässt sie sich nicht.
Allgegenwärtig verfolgt der blonde Tod Elisabeths Weg in die Einsamkeit, ihre Flucht vor der Wiener Hof-Etikette, vor der eigenen Familie und am Ende vor sich selbst. Aus Liebe macht er schließlich einen italienischen Hilfsarbeiter zu seinem Werkzeug. Mit einer Dreikantfeile versetzt der Anarchist Luigi Lucheni im September 1898 der Kaiserin in Genf den tödlichen Stich.
Libretto vom "Cats"-Übersetzer
Der Tod und sein Attentäter sind neben Elisabeth von Österreich die Protagonisten des Musicals, das am 3. September 1992 in Wien uraufgeführt wird. Bereits 1932 war das legendenträchtiges Schicksal der Kaiserin als romantisch verklärte Operette "Sissy" in Wien auf die Bühne gekommen. Das Singspiel liefert die unrealistische, verkitschte Vorlage für die "Sissi"-Filme mit Romy Schneider in den 50er-Jahren.
1992, zum krönenden Abschluss seiner Intendanz am Theater an der Wien, will Peter Weck "den operettigen Geschmack dieser Person ein bisschen ins Realistische bringen". Das Libretto lässt Weck von Michael Kunze schreiben, der schon die deutsche Übersetzung von "Cats" verfasst hat. Eine historisch objektive Sicht auf die Kaiserin habe allerdings auch ihn nicht interessiert, bekennt Kunze: "Es ist ein höchst subjektiver Blick. Ich erzähle Elisabeths Geschichte nach meiner Überzeugung, also so, wie ich sie empfinde."
Morbide Demontage des "Sissi"-Mythos
Kunzes Story ist eine Geschichte von unerfüllter Liebe, Verfall und fataler Sehnsucht, inszeniert mit grellen Regie-Ideen und allen technischen Tricks, die das moderne Musical-Theater zu bieten hat. Die Hauptfiguren vertraut Peter Weck einem Trio von Nachwuchsdarstellern an. Über ihre schwere Rolle als erst jugendliche, dann alternde Elisabeth sagt die Niederländerin Pia Douwes: "Man soll sie nicht unbedingt mögen. Man soll sie begreifen und verstehen."
Den Part des unglückseligen Lucheni singt der Amerikaner Ethan Freeman. Als Tod im Gewand des Charmeurs überzeugt Uwe Kröger aus Hamm/Westfalen, der schon in "Starlight Express" und "Jesus Christ Superstar" zu sehen war. Bis zur Uraufführung zweifeln Texter Michael Kunze und Komponist Sylvester Levay allerdings, ob ihre morbide Demontage des alten "Sissi"-Mythos ankommt. "Wir haben noch gescherzt, dass wir vor dem Theater ein Taxi mit laufendem Motor warten lassen, falls wir in der Pause abhauen müssen“, erzählt Levay.
Publikumserfolg trotz Kritikerschelte
Tatsächlich endet die "Elisabeth"-Uraufführung im Theater an der Wien mit begeistertem Applaus und donnerndem Füßetrampeln. Das Feuilleton reagiert weitaus zurückhaltender. "Das Publikum ist enthusiasmiert. Ich selbst bin’s nicht ganz", formuliert Karl Löbl, Doyen der österreichischen Kulturkritik, mit Wiener Schmäh sein Urteil direkt nach der Vorstellung.
Die meisten Rezensenten sind in ihrer "Elisabeth"-Kritik weniger diplomatisch. Vor allem die musikalische Bearbeitung von Sylvester Levay muss sich teils harsche Worte gefallen lassen. Dem anhaltenden Publikumserfolg schadet die Kritik nicht. 25 Jahre nach der Uraufführung in Wien haben weit mehr als zehn Millionen Zuschauer in Europa und Asien "Elisabeth“ gesehen.
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