Mehr als zehn Millionen Zuschauer sitzen am 28. Juli 1987 vor dem Fernseher - und ekeln sich. Das ARD-Magazin "Monitor" zeigt in Großaufnahme, wie sich zwei Zentimeter lange Würmer in aufgeschnittenen Speisefischen ringeln.
Die Reporter Jürgen Thebrath und Wilfried Huismann haben in Bremen ein Dutzend grüne, nicht ausgenommene Heringe gekauft: "Die Innenansicht ist schlimm: Alle zwölf Heringe sind von Wurmlarven befallen, vor allem in den Bauchhölen, aber auch im Muskelfleisch. Der Name des Wurms, der sich in das Gewebe einbohren kann: Anisakis - im Volksmund: Heringswurm."
Fischverkauf bricht ein
Nach der Fernsehsendung sinkt der Fischumsatz in der Bundesrepublik um fast 80 Prozent. Der Fachverband Fischhandel wehrt sich und faxt - ohne allerdings sein Ziel zu erreichen - an die "Monitor"-Redaktion: "Im Interesse des gesamten Fischhandels erwarten wir, dass die für heute Mittag vorgesehene Wiederholung der "Monitor"-Sendung vom gestrigen Abend abgesetzt wird." Die einseitige, negative Problemdarstellung habe den Verkauf von Fisch in den Morgenstunden praktisch zum Erliegen gebracht.
Wurmlarven, sogenannte Nematoden, habe es schon immer gegeben und diese seien immer entfernt worden - versichert die Fischindustrie. Die Stiftung Warentest findet bei späteren Fischtests kaum Würmer. Einige Mediziner zweifeln mögliche Gesundheitsschäden bei Verbrauchern an.
Vorschriften verschärft
Doch "Monitor" hält dagegen: "Wir haben einen Patienten in der Sendung vorgestellt, der aufgrund dieser Wurmlarven eine schwere Magenoperation durchleiden musste", sagte Autor Thebrath. Daraufhin hätten sich nach der ersten Sendung 40 weitere Betroffene gemeldet. Der Gesetzgeber erlässt eine strengere Fisch-Hygiene-Verordnung: Spezielle Leuchttische und Schnitttechniken werden Pflicht.
Zehn Jahre nach dem ersten Bericht testet die "Monitor"-Redaktion noch einmal Fisch. Offenbar hat sich wenig verändert. Ein unabhängiges Lebensmittel-Kontrolllabor stellt fest: "Das Ergebnis unserer Analyse ist, dass in jedem zweiten Fisch Nematoden gefunden worden sind." Eine Ausnahme, meint der Produktionsleiter der von "Monitor" besuchten Fischfabrik in Bremerhaven.
Erneut nachlässige Betriebe
"Monitor" testet in anderen Betrieben und anderen Bundesländern weiter. Die angebliche Ausnahme scheint doch eher die Regel zu sein. Folkert Marr vom Bundesverband der Fischwirtschaft gesteht: "Es ist sicherlich bei vielen Betrieben eine Laxheit eingetreten." Daraus müssten diese Konsequenzen ziehen.
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