1. August 2010 - Mindestlohn in der Altenpflege tritt in Kraft

Stand: 01.08.2020, 00:00 Uhr

Die Altenpflege ist in der Krise. Viele Pflegekräfte fühlen sich laut einer Umfrage von 2018 bei der Arbeit gehetzt und unterbezahlt. Daran ändert der allabendliche Applaus während der Corona-Krise ebenso wenig wie die einmalige Corona-Prämie. Denn beides löst nicht das eigentliche Problem, zahlt nicht auf Dauer Lebensmittel und Miete.

Würden sie Autos bauen, statt Menschen zu pflegen, bekämen viele von ihnen hierzulande fast das doppelte Gehalt. Ausgebildete Pflegefachkräfte verdienen je nach Bundesland und Träger 2.000 bis 3.000 Euro brutto. Hilfskräfte deutlich weniger.

Mindestlohn für die Altenpflege tritt in Kraft (am 01.08.2010) WDR 2 Stichtag 01.08.2020 04:17 Min. Verfügbar bis 30.07.2030 WDR 2

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Bis in die 90er-Jahre hinein ist zumindest tariflich die Welt noch in Ordnung: Für kommunale Einrichtungen gilt der Bundes-Angestelltentarifvertrag, der auch von vielen freien und kirchlichen Verbänden übernommen wird. "Die Vergütung lag auf einem vernünftigen Niveau", erinnert sich Matthias Gruß von der Gewerkschaft Verdi.

Profit steht im Vordergrund

Doch mit der Einführung der Pflegeversicherung lässt der Gesetzgeber ab 1995 auch kommerzielle Anbieter zu. Aus der Altenbetreuung wird ein Pflegemarkt. Statt zu mehr Qualität führt der Wettbewerb zu Kosteneinsparungen. Das Ergebnis: Die Tariflandschaft bröckelt und immer mehr Pflegekräfte flüchten.

Um den Beruf nicht vollends unattraktiv zu machen, wird 2009 eine Kommission aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden eingesetzt. Diese einigt sich auf einen Pflegemindestlohn, der am 1. August 2010 in Kraft tritt und im Westen bei 8,50 Euro, im Osten bei 7,50 Euro pro Stunde liegt.

Seitdem tagt die Kommission immer wieder, passt den Mindestlohn weiter an. Aktuell gibt es pro Stunde zwischen drei und vier Euro mehr - und ab dem kommenden Jahr einen gesonderten Mindestlohn für ausgebildete Fachkräfte. Dieser startet bei 15 Euro und steigt bis 2022 auf 15,40 Euro.

Altenpfleger schlecht organisiert

Doch warum müssen in so einer wichtigen Branche immer noch Mindestlöhne festgelegt werden? Und warum lassen sich die Beschäftigten das gefallen? Laut Gruß liegt das an der mangelnden Organisation: "Nicht einmal zehn Prozent der Bertoffenen sind in der Gewerkschaft." Moralische Empörung alleine reiche aber nicht aus, um bessere Arbeitsbedingungen und Löhne durchzusetzen.

Immerhin: Die Gewerkschaft verhandelt mit einer neu gegründeten Arbeitgebervereinigung. Herauskommen soll ein attraktiver, allgemein verbindlicher Tarifvertrag. Noch stellen sich aber die privaten Anbieter, die inzwischen die Hälfte des Marktes ausmachen, quer. Die Kommission muss also erstmal weitertagen.

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