29. August 1951 - Erstes deutsches Micky-Maus-Heft erscheint

Stand: 29.08.2016, 00:00 Uhr

1951 will Erika Fuchs endlich wieder einen Übersetzungsauftrag von ihrem Verleger. "Ich war entschlossen, das Zimmer nicht zu verlassen ehe ich einen hatte", wird sich die promovierte Kunsthistorikerin später erinnern. "Und dann hat dieser Mensch, ich glaube aus reiner Verzweiflung, mir ein Mickey-Mouse-Heft hingelegt und mir gesagt, ob ich das nicht machen mag. Und ich war zuerst außerordentlich verblüfft, die vielen Bilder auf einer Seite, dann die Sprechblasen."

Auf dem deutschen Zeitschriftenmarkt gibt es Comics damals nicht. Gewohnt ist Fuchs an biedere Blätter wie "Das Kränzchen" für Mädchen oder "Der gute Kamerad" für Knaben. Deshalb sagt sie spontan, dass so etwas wie Micky Maus in Deutschland nicht gehe. "Die Herren lachten nur und sagten: 'Das geht in Deutschland auch, nehmen sie das mal mit, in einem halben Jahr kommen die Leute von Disney, machen sie eine Probeübersetzung und dann sehen wir weiter.'"

"Farbexplosion im Alltag"

Am 29. August 1951 kommt die erste Ausgabe von "Micky Maus" in den deutschen Handel. Während auf den Ausgaben rund um den Globus Donald Duck das Cover ziert, setzen die Macher in Deutschland lieber auf die bekanntere Micky Maus, die dort schon in den 1930er Jahren als Filmfigur erfolgreich war. Auch acht der zehn Geschichten drehen sich um sie. In Deutschland wohnt sie aber nicht, wie im amerikanischen Original, in Mouseton, sondern wie Donald Duck und Co. in Entenhausen.

Das knallig vierfarbig gedruckte Heft stellt die Sehgewohnheiten der an Grau gewöhnten Bevölkerung in der Bundesrepublik auf den Kopf. "Wenn man sich vorstellt, was 1951 in Deutschland noch in Ruinen lag, dann ist das offensichtlich der Effekt gewesen, der die meisten Leute beeindruckt hat", sagt der stellvertretende Feuilleton-Chef der FAZ, Andreas Platthaus. "Alle Menschen, die sich daran erinnern, erinnern sich an eine Farbexplosion in ihrem Alltag."

Ächz, stöhn, grübel, hechel

Aber auch die Sprache ist ein Kracher. "Hau Ruck! Uff!" steht in der ersten Sprechblase. Sie deutet schon in etwa hin auf das, wofür Erika Fuchs auch unter Linguisten später berühmt werden wird: Den sogenannten Erikativ, der Verben auf ihren Wortstamm reduziert. So macht die Übersetzerin aus der Not eine Tugend. "Es ist einfach bei diesen Geschichten nötig, denn sie bestehen ja nur aus dem Dialog und den Bildern. Und alles, was in einem anderen Text Beschreibung oder Stimmung ist, werden hiermit gemacht", sagt Fuchs. "'Grübel, grübel' heißt eben: Er läuft verzweifelt im Zimmer rum und denkt nach."

Den Sprachwächtern gefällt das gar nicht. Sie befürchten eine Verdummung der deutschen Jugend. Dabei rettet Erika Fuchs mit ihrer an Schiller und Hölderlin geschulten Sprache bestimmte Vokabeln wie "blümerant" vor dem Aussterben. Tatsächlich ist sie eine Sprachkünstlerin, die mit den Worten des Literaturkritikers Denis Scheck "mehr als Martin Walser, Günter Grass und Christa Wolf zusammen unser Deutsch beeinflusst hat." 1951 sieht das noch gar nicht danach aus. Von den 300.000 Exemplaren der ersten Ausgabe wandert nur knapp die Hälfte über den Ladentisch. Die jungen Kaufleute des Verlags fahren deshalb mit dem Fahrrad auf die Schulhöfe, um das Heft an die Kundschaft zu bringen. "Das hat schon ein, zwei Jahre gedauert", sagt Fuchs, "bis wir aus dem bunten Monatsheft ein vierzehntägiges und dann ein wöchentliches Magazin machen konnten."

75 Pfennig kostet das Micky-Maus-Heft 1951. Heute zahlen Sammler einige tausend Euro für die Erstausgabe.

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