Wie lange dürfen Geschäfte geöffnet sein? Schon seit Gründung der Bundesrepublik sorgt diese Frage für Streit. Die Konfliktlinie ist klar: Auf der einen Seite stehen der Handel zusammen mit den Kunden, auf der anderen Seite die Verkäufer. Zunächst machen sich die jungen Bundesländer ihre jeweils eigenen Ladenöffnungsgesetze. 1952 werden diese jedoch vom Bundesverfassungsgericht kassiert. Eine bundesweit einheitliche Regelung soll geschaffen werden, damit gleiche Voraussetzungen für alle herrschen.
Die Verkäufer machen Druck. Noch immer haben sie im Unterschied zu anderen Berufsgruppen eine Sechs-Tage-Woche. 1954 kommt es in München sogar zum sogenannten Kaufhauskrieg. Bei Demonstrationen und Straßenschlachten heißt es auf Plakaten: "Wir fordern ein freies Wochenende". Während Warenhäuser vom Kaufboom profitieren wollen, wehren sich deren Angestellte gegen längere Öffnungszeiten.
Werktags bis 18.30 Uhr
Nach heftigen Debatten im Parlament wird 1956 endlich ein Bundesgesetz über den Ladenschluss beschlossen. Darin steht, wann die Geschäfte zu sein müssen: an Sonn- und Feiertagen, montags bis freitags bis sieben Uhr und ab 18.30 Uhr, sonnabends bis sieben Uhr und ab 14 Uhr. Nur an den vier Samstagen vor Weihnachten ist erst um 18.00 Uhr Feierabend. Diese Regelungen treten 1957 in Kraft.
Immer wieder versucht der Handel, die Vorschriften zu lockern. Eine Änderung scheitert aber regelmäßig am Bollwerk aus Gewerkschaften und den Geschäftsinhabern, für die sich längere Öffnungszeiten nicht lohnen und die ihre geschäftliche Existenz daher durch Einkaufszentren bedroht sehen. Ebenfalls gegen eine Lockerung sind die Kirchen, die für einen arbeitsfreien Sonntag kämpfen. Die Wende kommt im Oktober 1989, als der "Lange Donnerstag" eingeführt wird. Die Geschäfte dürfen an diesem Wochentag bis 20.30 Uhr offen bleiben. Viele Beschäftigte sprechen vom "Schlado", dem "Scheißlangendonnerstag".
Wöchentlich 80 Stunden einkaufen
Mitte der 1990er Jahre bringt die Regierung von Helmut Kohl (CDU) die erste beachtliche Ausweitung des Ladenschlusses auf den Weg - beflügelt von Studien, die ein Umsatzplus von 20 Milliarden Mark vorhersagen. Am 1. November 1996 tritt das neue Ladenschlussgesetz in Kraft. Die Öffnungszeiten werden werktags von 18.30 Uhr auf 20.00 Uhr sowie samstags von 14.00 Uhr auf 16.00 Uhr ausgedehnt. Dafür fällt - ausgenommen an den vier Wochenenden vor Weihnachten - der "Lange Samstag" weg. Für die Kunden bedeutet das eine Verbesserung. Statt wie bisher 64,5 Stunden pro Woche können sie jetzt wöchentlich 80 Stunden einkaufen.
Weitere Liberalisierungen folgen: Ab Juni 2003 können Geschäftsleute ihre Läden an Samstagen wie schon an den anderen Werktagen bis 20.00 Uhr öffnen. Drei Jahre später wird der Spielraum noch größer, als die Entscheidungskompetenz über die Ladenöffnungszeiten wechselt. Nach der Föderalismusreform entscheidet nicht mehr die Bundes-, sondern wieder die Länderebene: Ab 2006 ist Ladenschluss erneut Ländersache. Jedes Land kann nun die Öffnungszeiten regional anpassen. Allein die Sonntagsruhe bleibt per Arbeitszeitgesetz geschützt. Erlaubt sind aber Ausnahmen wie zum Beispiel verkaufsoffene Sonntage.
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