Sechs Teilrepubliken, zwei autonome Provinzen, drei Religionen, ein Dutzend Sprachen und Ethnien – das ist die Sozialistische Republik Jugoslawien bis 1991. Nach dem Ende der Sowjetunion steht auch das von Staatschef Josip Broz Tito geschaffene Vielvölker-Gemisch vor dem Zerfall.
Gegen erbitterten Widerstand der Serben, der dominierenden Bevölkerung Jugoslawiens, wählt Kroatien eine eigenständige Zukunft im Lager der europäischen Gemeinschaft. Auch die rund zwei Millionen Slowenen votieren für eine souveräne Republik. Fast zeitgleich rufen Kroatien und Slowenien am 25. Juni 1991 ihre Unabhängigkeit aus. Es ist das Ende Jugoslawiens und der Beginn hasserfüllter Kriege, in denen entfesselter Nationalismus friedliche Nachbarn zu Todfeinden macht.
Die Saat der Kriegstreiber und Warlords
Die Zentralmacht in Belgrad reagiert sofort auf die Abkehr der Teilrepubliken. "Zu den Schwierigkeiten am Tag danach gehörte auch der Kampf", erinnert sich Sloweniens damaliger Präsident Milan Kucan. "Ich habe die Möglichkeit nicht unterschätzt, habe aber nicht mit so einem brutalen Vorgehen gerechnet." Panzer der Volksarmee Jugoslawiens rollen durch die slowenische Hauptstadt Ljubljana, Artillerie beschießt die Landesgrenzen. Doch nach zehn Tagen gibt Serbiens Präsident Slobodan Milošević den Kampf auf und lässt Sloweniens Unabhängigkeit fortan unangetastet. Die sehr kleine serbische Minderheit dort spielt keine Rolle in seinen Kriegsplänen für eine Balkanmacht Groß-Serbien.
Unter den etwa vier Millionen Kroaten dagegen leben 250.000 Serben – ein Land zweier Volksgruppen, die bereits im Zweiten Weltkrieg erbitterte Feinde waren. Im Vorfeld der Unabhängigkeitserklärung heizen ultraradikale Politiker beider Nationalitäten mit Schlägertrupps und Milizen den Hass in den ethnischen Mischregionen an. Im Juni 1991 dann geht die Saat der Kriegstreiber und Warlords auf: Jugoslawiens Volksarmee marschiert in Kroatien ein, flankiert von serbischen Freischärlern und paramilitärischen Einheiten. Ihre Kriegsführung und "ethnischen Säuberungen" brechen mit allen Regeln des Völkerrechts und der Menschlichkeit.
Bosnische Serben belagern Sarajevo
Im medialen Windschatten des beginnenden Irak-Krieges eskaliert der Krieg auf dem Balkan. Wo die Serben einmarschieren, kommt es beinahe täglich zu Massakern und Vertreibungen. Wo kroatische Soldaten den Milošević-Truppen standhalten, erleidet die serbische Bevölkerung das gleiche Schicksal. Am 21. Dezember 1991 stellt Milošević die westliche Welt vor vollendete Tatsachen und ruft die Republik "Serbische Krajina" aus. Sie umfasst rund ein Drittel des kroatischen Staatsgebietes. Nun macht auch das benachbarte Bosnien gegen Belgrad mobil. "Bosnien bleibt nicht in einem blutigen Jugoslawien", erklärt Präsident Alija Izetbegović. Er lasse nicht zu, dass Bosnien ein Teil Groß-Serbiens werde. Am 3. März 1992 erklärt das großteils muslimische Land als dritte Ex-Republik Jugoslawiens seine Unabhängigkeit.
Radovan Karadžić, Führer der bosnischen Serben hatte zuvor gehetzt: "Ihr zieht Bosnien in den Abgrund der Hölle. Im Kriegsfall wird das muslimische Volk untergehen." Drei Jahre lang belagern die bosnischen Serben die Hauptstadt Sarajevo und bringen zwei Drittel des Landes unter ihre Kontrolle. Für die dabei begangenen Kriegsverbrechen wird Karadžić im März 2016 in Den Haag zu 40 Jahren Haft verurteilt. Von den USA militärisch aufgerüstet, gelingt Kroatien 1995 mit der Rückeroberung der Krajina der entscheidende Gegenschlag. Präsident Franjo Tuđman erklärt zwar die "Bemühungen um ein freies und unabhängiges Kroatien für beendet", doch nun wird die serbische Bevölkerung zum Ziel bosnischer Racheakte. Als im November 1995 das Friedensabkommen von Dayton alle Kamphandlungen beendet, haben über vier Millionen Menschen im ehemaligen Jugoslawien ihre Heimat verloren – und weit mehr als 100.000 Menschen ihr Leben.
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.05 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 25. Juni 2016 ebenfalls an den Zerfall Jugoslawiens. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.