"Das Sowjetvolk nimmt Abschied von seinem großen Führer und Lehrer, dem geliebten Stalin." Am 9. März 1953 wird im Radio die Beisetzung von Josef Stalin in Moskau im Mausoleum am Roten Platz übertragen. Die Schattenseiten des Vaters der Supermacht UdSSR und des Siegers über den Faschismus werden nicht erwähnt.
Der Verstorbene ließ Millionen Bauern verhungern, schickte Millionen Menschen in den Gulag. Seine Fehlentscheidungen im Zweiten Weltkrieg kosteten Millionen von Rotarmisten das Leben. Niemand war vor Stalin sicher, auch die kommunistischen Kader nicht. Er war unberechenbar.
Chruschtschow stoppt Personenkult
Erst drei Jahre nach Stalins Tod wagt es sein Nachfolger Nikita Chruschtschow, am Denkmal der angeblich gottähnlichen Lichtgestalt zu kratzen. Er ist zwar schon im September 1953 zum Generalsekretär der KPdSU gewählt worden, aber noch sitzen die Profiteure der alten Strukturen im Parteiapparat.
Als am 14. Februar 1956 in Moskau der 20. Parteitag beginnt, läuft zunächst alles wie gehabt. Die Delegierten hören zu, klatschen und nicken ab. Am Ende des Parteitages werden sie in ihre Hotels zurückgeschickt, dann aber noch einmal zurückgeholt - zu einem Vortrag des Generalsekretärs.
Rede bleibt geheim
Der neue Parteichef prangert den Personenkult an, attackiert Stalin, benennt die Massenmorde an Kommunisten. Nach der Rede herrscht Beklemmung und Schweigen. Die Anwesenden im Saal waren mehr oder weniger alle in Stalins Terrorsystem verstrickt.
Die Medien in der Sowjetunion verschweigen die Geheimrede. Die 43 Seiten werden als rotes Heft gedruckt. Jedes Exemplar bekommt eine eigene Nummer. Funktionäre müssen den Empfang quittieren, ihren Kollektiven den Text vorlesen und das Heft sofort wieder abgeben.
Tauwetter mit Grenzen
Die Folgen: Stalin-Büsten werden entsorgt und Stalingrad in Wolgograd umbenannt. Stalins Leichnam wird aus dem Lenin-Mausoleum entfernt und an der Kremlmauer begraben. 1,5 Millionen Verschleppte kehren aus den Lagern zurück und benötigen Wohnungen, Kleidung und Arbeit. Sie werden in der Bevölkerung als Konkurrenz wahrgenommen.
Trotz Widerstandes setzt Chruschtschow die Entstalinisierung durch. Es beginnt eine Tauwetter-Periode mit einigen Reformen. Doch als Ungarn mehr Freiheit einfordert, schickt Chruschtschow Panzer. Als immer mehr DDR-Bürger in den Westen fliehen, befiehlt er den Mauerbau.
Schließlich wird Chruschtschow 1964 gestürzt. Vor allem, weil er nun die Amtszeit der Kader begrenzen will. In der Sowjetunion folgt eine lange Zeit der Stagnation unter Leonid Breschnew.
Programmtipps:
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 14. Februar 2021 ebenfalls an den Beginn der Entstalinisierung der Sowjetunion. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
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