Die Kolonialzeit ist zwar längst vorbei. Aber im Nordwesten Afrikas gibt es noch immer eine Kolonie: die Westsahara - früher von Spanien, heute von Marokko besetzt. Das Land am Atlantik besteht fast nur aus Wüste. Trotzdem leben dort Menschen: die Sahrauis.
Die meisten von ihnen sind jedoch seit 1975 in Flüchtlingslagern in der südalgerischen Wüste bei Tindouf untergebracht. 170.000 Menschen verwalten sich dort selbst: In vier von fünf Lagern sind Frauen Bürgermeisterinnen, ein Bildungswesen ist installiert, Religion und Politik sind getrennt.
Riesige Phosphat-Reserven
Die Sahrauis kämpfen schon seit Ende des 19. Jahrhunderts für ihre Unabhängigkeit. Denn die europäischen Kolonialmächte teilen Afrika 1885 auf der von Bismarck geleiteten Berliner Konferenz unter sich auf. Spanien erhält den Wüstenstreifen, der nun Spanisch-Sahara genannt wird.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wird dort ein riesiges Phosphatvorkommen entdeckt - wichtigster Rohstoff für Düngemittel. Von der Mine Bou Craa bauen in den 1960er Jahren deutsche Firmen für den spanischen Diktator Franco ein 100 Kilometer langes Förderband an den Atlantik.
"Frente Polisario" gegründet
Ende der 1960er Jahre drängt die UNO Franco, die Sahara in die Unabhängigkeit zu entlassen. Die Staatschefs der Nachbarländer Marokko, Mauretanien und Algerien treffen sich am 14. September 1970 im mauretanischen Noubidou zu einer Konferenz und unterstützen das Ziel öffentlich.
Insgeheim plant aber vor allem Marokko, sich die Westsahara einzuverleiben. König Hassan II. träumt von einem großmarokkanischen Reich. Derweil gründet sich 1973 die Befreiungsbewegung "Frente Polisario" - ein Zusammenschluss der Nomadenstämme der Sahrauis.
Verminter Sandwall
Die Polisario erzwingt zwar militärisch den Abzug Spaniens. Doch 1975 rückt die überlegene marokkanische Armee in die West-Sahara vor und drängt die Sahrauis zurück.
Zur Absicherung des besetzten Gebiets baut Marokko in den 1980er Jahren eine Mauer durch das ganze Land - einen minengespickten Sandwall. Jenseits davon kontrolliert die Polisario das östliche Drittel des Landes.
Starke Verhandlungsposition
1991 stimmt die Polisario einem Waffenstillstand zu, weil die UNO ihr ein Referendum über die eigene Zukunft verspricht. Doch diese Entscheidung blockiert Marokko bis heute.
Es fehlt der Druck der UNO und der EU, Marokkos wichtigstem Handelspartner. Das Land hat eine starke Verhandlungsposition: Es kann Flüchtlinge aus Afrika, die nach Europa wollen, aufhalten - oder auch nicht.
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 14. September 2020 ebenfalls an die Konferenz über die Kolonie Spanisch-Sahara. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
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