Hut, Knubbelnase, Bäuchlein - das Ampelmännchen der DDR hat eine gemütliche Ausstrahlung. "Es sollte emotional ansprechen, insbesondere natürlich Kinder und ältere Menschen, denn das sind die Hauptfußgängerströme", sagt sein Erfinder, der Verkehrspsychologe Karl Peglau. Praktischer Nebeneffekt: Die mollige Figur strahle mehr Licht aus als ein schlanke und sei darum besser sichtbar.
Bei der Entwicklung seines Ampelmännchens hat Peglau allerdings Bedenken. Er befürchtet, dass die DDR-Oberen einen Hut als kapitalistisches Symbol werten könnten. Doch seine Frau Hildegard beruhigt ihn: "Also guck dir mal den Honecker an, der ist heute Abend im Fernsehen gewesen und der hatte auch einen Hut auf."
Links oder rechts rum?
Geboren wird Karl Peglau am 18. Mai 1927 in Bad Muskau an der Grenze zu Polen. Nach dem Zweiten Weltkrieg holt er sein Abitur nach und studiert an der Berliner Humboldt-Universität zwei Semester Mathematik. Anschließend wechselt er ins Studienfach Psychologie, das er 1954 mit dem Diplom abschließt. Drei Jahre später erhält er eine Stelle im Medizinischen Dienst des Verkehrswesens (MDV) der DDR. Er befasst sich dort ausführlich mit der Frage, wie Unfälle verhütet werden können.
Seinen Entwurf des Ampelmännchens stellt er im Oktober 1961 in Ost-Berlin vor. Die staatliche Begutachtung dauert acht Jahre lang. In einer Umfrage wird sogar geklärt, ob das Männchen nach links oder nach rechts gehen soll. Die Mehrheit entscheidet sich für links. "Vielleicht lag das daran, dass wir in der DDR linksorientiert waren", sagt Peglau 2007 in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung".
"Leitsymbol mit archetypischen Merkmalen"
1969 ist es soweit: An der Ost-Berliner Friedrichstraße leuchten zum ersten Mal das Ampelmännchen in zwei Versionen - "das rote mit den stark ausgebildeten, aufhaltenden Sperrbalken ähnlichen Armen und das grüne mit der Pfeilform in den Beinen", wie Peglau die beiden beschreibt. Er sieht darin keine Comic-Figur, sondern "ein Leitsymbol mit archetypischen Merkmalen".
Nach dem Fall der Mauer 1989 werden die ostdeutschen Geher und Steher weitgehend durch die in den alten Bundesländern üblichen Ampelmännchen ersetzt. Doch Peglaus Werk ist längst Kult. Proteste aus Ost und West erreichen, dass seine Ampelmännchen als bundesweit zulässige Symbole in die Richtlinien für Lichtsignalanlagen aufgenommen werden. Nun tauchen sie auch im Westen auf.
Neuentwicklung einer Ampelfrau
Zudem gibt es bald ein weibliches Gegenstück: die ostdeutsche Ampelfrau, die zuerst in Zwickau und Dresden zum Einsatz kommt. Dazu wird das Konzept von Karl Peglau, der am 29. November 2009 in Berlin stirbt, weiterentwickelt.
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 18. Mai 2017 ebenfalls an Ampelmännchen-Erfinder Karl Peglau. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
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