Es ist nicht das erste Mal, dass Jörg Zars gemeinsam mit "Sammy" einen Ausflug an den Baggersee bei Dormagen macht. Seinen 80 Zentimeter langen Brillenkaiman aus der Familie der Alligatoren führt er dabei an einer Hundeleine.
"Sammy lief bei mir in der Bude frei rum", sagt Zars, ein damals arbeitsloser Elektriker. "Der hat bei mir im Bett gepennt." Bei einem Sonntagsausflug am 10. Juli 1994 aber entwischt der Kaiman seinem 22-jährigen Halter und verschwindet im Nievenheimer See.
Sommerloch wird gefüllt
Mitten im Juli herrscht bei den deutschen Medien wieder Sauregurkenzeit. Umso begieriger greifen alle nach der Story vom Alligator im Badesee und schicken ihre Reporter nach Dormagen. Die dramatische Jagd auf Kaiman "Sammy" füllt das Sommerloch im Alleingang.
Der Badesee wird gesperrt, obwohl Zars beteuert: "Der ist absolut zahm und greift mit Sicherheit hier keine schwimmenden Leute an."
Experten kommen nach Dormagen
Doch auch seine Lockrufe können den ausgebüxten Kaiman nicht zur Rückkehr bewegen. Experten aller Art eilen nach Dormagen, um die Stadtverwaltung bei der Echsenjagd zu beraten.
Schließlich gehen die Verantwortlichen mit Gewehren und Restlichtaufheller auf Alligatorpirsch. Bei Nacht funkeln die bernsteingoldenen Kaimanaugen verräterisch im Wasser. Man gehe "mit 99-prozentiger Sicherheit davon aus, dass das Tier tödlich getroffen wurde", vermeldet ein Polizeisprecher. In der folgenden Nacht jedoch wird "Sammy" wieder unversehrt gesichtet.
Mit der Hand eingefangen
Auf öffentlichen Druck verzichtet die Stadtverwaltung auf weitere Versuche, dem Kaiman nach dem Leben zu trachten. Am frühen Morgen des 15. Juli 1994 steigt der 36-jährige Sporttaucher Helmar Reinicke ins Wasser, bewaffnet nur mit einer Taschenlampe. Nach anderthalb Stunden entdeckt er den entkräfteten "Sammy" und fischt ihn problemlos aus dem See.
"Er kam dann auf den Arm und ich traute meinen Augen nicht: Das Tier wirkte sehr zufrieden", berichtet Reinicke erstaunt. Jörg Zars ist glücklich, sitzt aber nun durch die Einsatzkosten auf einem Schuldenberg. Seinen Kaiman bekommt er nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf nicht zurück.
Medienstar "Sammy" erhält im Tierpark Falkenstein im Vogtland eine neue Heimat. Angewachsen auf eine Länge von 1,50 Meter, zieht der Kaiman 2006 aufs Altenteil in eine Alligator-Farm in Hessen. Dort stirbt Deutschlands bekanntestes Sommerloch-Tier 2013 im Alter von 24 Jahren.
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