Stichtag

21. Januar 2001 - Jutta Kleinschmidt gewinnt Rallye Paris-Dakar

Die entscheidende Nachricht erreicht Jutta Kleinschmidt beim Abendessen in einem Fischrestaurant in Dakar per Handy: Sie hat vor der letzten Etappe die Führung in der Gesamtwertung der Rallye Paris-Dakar übernommen. Denn gerade hat die Rennleitung den Sieger der beiden Vorjahre und ihren Ex-Partner Jean-Louis Schlesser wegen unsportlichen Verhaltens mit einer Stunde Strafzeit belegt. Ihr größter Konkurrent tobt. Sie startet nach 19 Renntagen am 21. Januar 2001 mit drei Minuten Vorsprung.

Den rettet Kleinschmidt auch über die letzten Kilometer und lenkt vor allen anderen ihren roten Mitsubishi Pajero über die Zielrampe. "Das kann man im ersten Moment gar nicht begreifen", erinnert sich die Rennfahrerin später an ihren Sieg bei der 23. Rallye Paris-Dakar, die als das härteste Autorennen der Welt in die Geschichtsbüchern eingeht. "Das ist schon ein tolles Gefühl", schwärmt die ansonsten eher sachliche Ingenieurin.

Hauptsache schnell

Die Presse feiert Jutta Kleinschmidt als die Frau, die eine der letzten Männerdomänen erobert hat. "Die Wüstenfüchsin", "Königin der Wüste" titeln die Zeitungen. Man wählt sie vor Ralf und Michael Schumacher zur Motorsportlerin des Jahres. Kleinschmidt selbst weiß, dass sie einen Teil der medialen Aufmerksamkeit ihrem Geschlecht verdankt. Gleichzeitig hasst sie es, dass sich viele Fragen nur um ihr Frausein drehen. "Ich will an meiner Leistung gemessen werden", sagt sie. Denn es sei ihr schon früh klar gewesen, dass sie nicht weniger leisten könne als Männer.

Geboren wird Jutta Kleinschmidt am 29. August 1962 in Köln. Die Familie zieht aber bald in die Südostecke Bayerns, ins Berchtesgadener Land, wo sie mit drei Schwestern aufwächst. Zwei Dinge faszinieren sie schon als Kind: Geschwindigkeit und Technik. Damit sie einen technischen Realschulabschluss ablegen kann, geht sie mit einer Ausnahmegenehmigung auf eine Knabenschule. Später macht sie ihr Fachabitur im Bereich Technik, wiederum als einzige Frau in ihrer Klasse. In ihrer Freizeit dreht sich alles um Sport. Kleinschmidt fährt mit 14 Jahren als Abfahrtsläuferin in der Ski-Nationalmannschaft, vier Jahre später wird sie Dritte bei der Skibob-WM.

Aus der Küche wird die Autowerkstatt

Nach dem Abitur studiert die agile Frau Physik, arbeitet bei BMW und entdeckt ihre Vorliebe für motorisierte Wüstentouren. Da sie keine Werkstatt hat, zerlegt sie kurzerhand ihr Motorrad in ihrer Münchener Mietwohnung, um es afrikatauglich zu machen. "Auf meiner Küchenspüle mussten sich Geschirr, Kaffeekannen und Backformen den Platz mit Zylinderköpfen, Dichtungen und anderem Allerlei teilen", erinnert sich Kleinschmidt später lachend an die Anfänge ihrer Motorsportkarriere.

Zunächst begleitet sie als Motorrad-Touristin die 10.000 Kilometer der Rallye Paris-Dakar quer durch Afrika, dann startet die 25-Jährige 1988 mit ihrem Zweirad bei den Wertungsläufen und wechselt einige Jahre später ins Auto. Für Nicht-Motorsportler ist die Faszination des Wüstenrennens schwer zu verstehen: tagsüber glühende Hitze, Sandberge, Schlammlöcher, nachts eisige Kälte und überall Staub, Sand oder Skorpione. Einmal steht Kleinschmidt vor einem reißenden Strom, der in der Navigationsroute als ausgetrocknetes Flussbett eingezeichnet ist. Das sind die Situationen, die Kleinschmidt liebt: "Dieses Abenteuer, dass man eigentlich nicht weiß, was auf einen zukommt."

Doch die Rallye Paris-Dakar gilt nicht nur als härteste Wüstentour, sie ist von jeher auch umstritten: Mehr als 60 Menschen - Fahrer und Zuschauer - verlieren im Laufe der Wettbewerbe ihre Leben. Nach einer Terrordrohung wird das Rennen 2008 abgesagt. Heute führt die Strecke durch Südamerika."Was für mich persönlich nicht mehr das gleiche Abenteuer bedeutet", erklärt Kleinschmidt. Seitdem findet Paris-Dakar ohne sie statt. Auf die Siegerrampe der Rallye hat es außer ihr bislang keine andere Frau geschafft.

Stand: 21.01.2016

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