Ludwig Erhards Zigarre oder der VW-Käfer: Symbole für das deutsche Wirtschaftswunder gibt es viele. Ganz sicher dazu gehört aber auch die Nylon-Damen-Feinstrumpfhose. "Nylons", die in Deutschland eigentlich aus der Kunstfaser Perlon hergestellt werden – sind schon auf dem Schwarzmarkt der Nachkriegsjahre eine wichtige Währung.
In den 50er Jahren erfindet die Firma Kunert "Chinchillan", eine besonders feine Nylon-Kunstfaser. Mit ihr macht Julius Kunert seinen größten Umsatz.
Ludwig Erhard als Mäzen
Geboren wird Kunert am 4. Juni 1900 im böhmischen Warnsdorf. Bereits sein Vater gründet dort 1924 eine Strickerei. Mit 5.000 Mitarbeitern, einer Tagesproduktion von 100.000 Feinstrumpfhosen aus Kunstseide und einer Exportrate von 85 Prozent wird die Firma 1938 Marktführer in Europa.
Nach dem Zweiten Weltkrieg werden die Kunerts als Sudetendeutsche vertrieben. Julius verschlägt es nach Augsburg. Vom damaligen bayerischen Wirtschaftsminister Ludwig Erhard unterstützt, erhält er einen neuen Standort in Immenstadt im Allgäu.
1949 produzieren dort zunächst 120 Mitarbeiter 2.000 Damenstrümpfe pro Tag. Ein Jahr später schon steigt Kunert mit einer gebrauchten "Strumpfwirkmaschine" aus den USA in die Produktion von Perlonstrümpfen ein. 1953 liegt die Jahresproduktion bei 58 Millionen Damenstrümpfen.
"Jeder Wade die zauberhafteste Fassade"
Die Feistrumpfhose aus "Chinchillan" wird nicht nur in der Bundesrepublik zum Renner: Laut Kunert-Werbung gibt sie "jeder Wade die zauberhafteste Fassade". Das beweisen die Waden von Romy Schneider und Hildegard Knef, die für Kunert werben.
Bei ihrem Staatsbesuch 1965 in Deutschland erhält auch die persische Kaiserin Soraya als Gastgeschenk ein Paar Kunert-Strümpfe. 1978 kauft Kunert den Stuttgarter Konkurrenten Hudson. Jetzt steht die Allgäuer Strumpffabrik an der absoluten Weltspitze.
Verstärkt auf Herrenstrümpfe gesetzt
Aber die Zeiten sind nicht gut für die Damenstrumpf-Branche: Nachdem die Mode zunächst die Röcke immer kürzer und damit die Strümpfe zu Strumpfhosen werden ließ, fallen sie jetzt unter Hosen meist ganz weg. Kunert überlebt, weil die Firma sich verstärkt auf Herrenstrümpfe verlegt.
1988 geht Kunert an die Börse. Aber auch nachdem Julius Kunert, der bis zu seinem Tod Chef des Unternehmens bleibt, 1993 im Alter von 92 Jahren in Immenstadt stirbt, bleibt die Aktienmehrheit im Familienbesitz.
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Stichtag am 05.06.2020: Vor 85 Jahren: Geburtstag von Günter Noris