Als sich Carl Benz 1886 erstmals mit seinem Automobil auf die Straße wagt, holpert er auf eisenbeschlagenen Holzrädern übers Kopfsteinpflaster. Auch die bald darauf entwickelten Vollgummireifen verbessern den Fahrkomfort der ersten Auto-Generation nicht wesentlich.
Zwei Jahre nach der Jungfernfahrt des Benz-Wagens gelingt es dem Tierarzt John Boyd Dunlop im irischen Dublin, die uralte Erfindung des Rades zu revolutionieren - und damit das gesamte Verkehrswesen. Seine Erfindung dient "einer größeren Vereinfachung der Beweglichkeit auf Rädern laufender Fahrzeuge besonders der leichteren Klasse wie Fahrräder, Krankenstühle und Ambulanzen". So steht es in der Patenturkunde Nr. 10.607, die Dunlop 1888 ausgehändigt wird.
Wie auf Wolken
Geboren wird Dunlop am 5. Februar 1840 im schottischen Dreghorn. Nach einem Studium der Veterinärmedizin lässt er sich in Dublin als Tierarzt nieder.
1888 kann es Dunlop angeblich nicht mehr mit ansehen, wie sein Sohn Johnnie mit seinem vollgummibereiften Dreirad tiefe Spuren im sorgsam gepflegten Rasen hinterlässt. Er zerschneidet seine Gummischürze, klebt die Streifen zu einem Schlauch zusammen und nimmt einen Schnuller als Ventil.
Den zum Schutz mit Segelstoff umwickelten Schlauch montiert Dunlop auf eine runde Holzplatte und bläst ihn mit einer Fußballpumpe auf. Ausgerüstet mit diesen von seinem Erfinder "Pneu" getauften Reifen rollt Johnnies Dreirad wie auf Wolken.
Vom Spott zum Sieg
Von einem örtlichen Fahrradbauer lässt sich Dunlop 50 mit diesen Reifen ausgestattete Räder anfertigen. Die irische Sportszene reagiert mit Spott.
Erst als der Rennfahrer William Hume bei den Queens College Sportspielen auf Luftreifen die gesamte auf Hartgummi rollende Fahrrad-Elite abhängt, ist der Siegeszug des Dunlop-Pneus nicht mehr aufzuhalten.
1889 hängt Dunlop seinen Beruf an den Nagel und eröffnet in Dublin das Dunlop-Werk für Fahrradreifen. Vier Jahre später nimmt im hessischen Hanau die erste Auslandsvertretung unter dem Namen "The Dunlop Pneumatic and Tyre Co. GmbH" den Betrieb auf. Bei den Olympischen Spielen in Athen 1896 treten die Rennradler schon geschlossen auf luftgefüllten Reifen an.
Brüder etablieren die Autoreifen
Die Idee, nicht nur Fahrräder, sondern auch Automobile mit Pneus auszurüsten, können aber die Brüder Edouard und André Michelin aus Clermont-Ferrand für sich beanspruchen. In ihrem luftbereiften Peugeot Eclair nehmen sie 1895 am Autorennen Paris-Bordeaux-Paris teil. Dank eines ansehnlichen Arsenals von Ersatzreifen, die auf Fahrer- und Beifahrerseite montiert sind, erreichen sie das Ziel.
1895 zieht sich Dunlop aus dem Unternehmen zurück. Er stirbt 1921 in Dublin.
Programmtipps:
Auf WDR 2 können Sie den Stichtag immer gegen 9.40 Uhr hören. Wiederholung: von Montag bis Samstag um 18.40 Uhr. Der Stichtag ist nach der Ausstrahlung als Podcast abrufbar.
Stichtag am 06.02.2020: Vor 90 Jahren: Geburtstag des "letzten deutschen Playboys" Rolf Eden