Für Kawakami Otojirō und seine Theatertruppe rund um den Star Sada Yacco ist der Auftritt am 11. November 1901 nur eine Vorpremiere. Die Japaner kommen aus Paris und sind auf dem Weg nach Berlin, von wo aus sie zu einer Tournee in 20 weitere deutsche Städte starten wollen. Aber in Köln zeigen sie ihre Künste im Kaiserreich zum ersten Mal.
"Sada Yacco, die japanische Duse, wie die Pariser sie genannt haben, betritt zum ersten Mal deutschen Boden und nimmt die freundliche Einladung an, in der Stadt des ewigen Doms auszusteigen und sich abends im Reichshallentheater bewundern zu lassen", schwärmt auch der Kolumnist des "Kölner Tageblatts" Franz Röder alias Amadeus Gänsekiel. "Natürlich wird alles, was Beine oder auch nur eine japanische Vase oder einen Japanfächer hat, dorthin eilen."
Die "Original-Japaner"
Die japanische Theatertruppe ist am rechten Ort zur rechten Zeit. Denn sie trifft auf eine Japan-Begeisterung, die auch Deutschland erreicht hat. Längst hat die Ausstellung japanischer Holzschnitte auf der Pariser Weltausstellung 1878 unter westlichen Künstlern den sogenannten "Japonismus" ausgelöst, der in der Übernahme japanischer Motive und Techniken mündet. Japanische Stoffe, Fächer und Kimonos sind bei der gut betuchten Gesellschaft en vogue. "Es erhöht die Bildung, das, was wir von Japan aus überständigen Operetten-Karikaturen kennen, nun im Original zu sehen", urteilt ein Kritiker.
Dabei hat das, was die Truppe 1901 in Deutschland auf die Bühne bringt, mit traditioneller japanischer Theater- und Musikkunst wie dem aus Gesang, Pantomime und Tanz bestehenden Kabuki der Edo-Zeit nur wenig zu tun. Leiter Otojirō ist ein westlich ausgerichteter Straßenkünstler, dem seine Agenten zu dem Schritt geraten haben. Sein Programm, aus allerlei japanischen Elementen zusammengestückelt, und Sada Yacco, eine ehemalige Geisha, die "japanische Duse", kennt in der Heimat niemand. Aber ihre exotische Schönheit, ein bisschen Fünftonmusik und ein paar trippelnde Schritte reichen aus, um das Publikum in Verzückung zu versetzen.
Motiv der Maler
In Deutschland wird die Laientruppe als "kaiserlich japanisches Hoftheater" angepriesen, was es im Land der untergehenden Sonne gar nicht gibt. Doch die "Original-Japaner" will in ganz Europa jeder sehen. Die Aufführungen sind immer ausverkauft, im Publikum sitzen gekrönte Häupter, Schauspieler und Dichter gleichermaßen. Sada Yacco wird zum beliebten Motiv der Maler, Max Slevogt porträtiert sie mit ihrem Ziehsohn Raikichi. Ihre Art zu tanzen beeinflusst vor allem den zeitgenössischen amerikanischen Kunsttanz.
1918 beendet Sada Yacco ihre Tanzkarriere und gründet in Japan ein Textilunternehmen. Die "japanische Duse" stirbt 1946 in Atami.
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