Verwaltungsgebäude der IG Farbenindustrie AG in Frankfurt am Main (Aufnahme vermutlich von 1935)

2. Dezember 1925 - Deutsche Chemiefirmen schließen sich zur IG Farben zusammen

Stand: 02.12.2020, 00:00 Uhr

"Was diese Männer taten, geschah mit äußerster Überlegung", sagt US-General Telford Taylor, Hauptankläger im Prozess gegen 23 Manager der IG Farben, 1947 in Nürnberg. "Man baut weder in einem Anfall von Leidenschaft einer riesige Kriegsmaschinerie noch in einem vorübergehenden Anfall von Brutalität eine Fabrik in Auschwitz."

Die Wochenschau "Welt im Film" meldet damals: "Die Anklage lautet unter anderem auf Teilnahme an der Vorbereitung von Angriffskriegen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Versklavung ausländischer Arbeiter."

Der Konzern IG Farben entsteht (am 02.12.1925)

WDR 2 Stichtag 02.12.2020 04:06 Min. Verfügbar bis 30.11.2030 WDR 2


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"Ein Global Player"

Der Ausgangspunkt: Am 2. Dezember 1925 schließen sich die acht führenden deutschen Chemieunternehmen zum IG-Farben-Konzern zusammen - darunter Bayer, BASF und Hoechst. Die "Interessengemeinschaft Farbenindustrie AG" ist das größte nicht staatliche Unternehmen in der Weimarer Republik.

Hergestellt werden Medikamente, Farbstoffe, Düngemittel, synthetische Treibstoffe bis hin zu künstlichen Fasern und Fotopapier. "Ein Global Player würde man heute sagen", so Historiker Sebastian Brünger.

"Akteur des Holocausts"

In den 1920er Jahren hat die IG Farben noch jüdische Aufsichtsratsmitglieder und keine personellen Verbindungen zu den Nazis. Das ändert sich Anfang der 1930er Jahre. Die Firma habe sich vom NS-Regime nicht nur einspannen lassen, sagt Historiker Brünger. "Sondern sie war eben auch ein wichtiger Akteur des Holocausts."

Das in Auschwitz und anderen KZ zum Massenmord eingesetzte Giftgas "Zyklon B" stammt aus einer ihrer Verkaufsgesellschaften.

Tausende sterben

1942 eröffnet die IG Farben in Auschwitz ihr firmeneigenes Lager für zumeist jüdische Häftlinge. Sie müssen in der zugehörigen Chemiefabrik als Zwangsarbeiter synthetischen Kautschuk produzieren. Tausende sterben.

Im IG-Farben-Prozess streiten die Angeklagten ihre Verantwortung ab. Sie schaffen stattdessen, so Historiker Brünger, "ein Opfernarrativ vom ehrbaren Kaufmann beziehungsweise unpolitischen Forscher".

Erst 2003 liquidiert

"Das Gerichtsurteil von 1948 folgte in weiten Teilen dieser Erzählung der Verteidigung." Zehn Angeklagte werden freigesprochen, 13 erhalten milde Haftstrafen. 1951 werden die drei IG-Nachfolge-Gesellschaften gegründet: Bayer, Hoechst und BASF. Ab 1955 können dort frühere IG-Farben-Manager wieder Ämter übernehmen.

Übrig bleibt ein Rumpf: die IG Farben in Liquidation. Deren Abwicklung zieht sich bis 2003 hin. Die überlebenden Opfer müssen jahrelang um Entschädigung kämpfen und erhalten nur eine geringe Wiedergutmachung.

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