Sie hatten keine Chance. Für die Geschwister Scholl und Christoph Probst, Mitglieder der Münchner Widerstandsgruppe "Weiße Rose", gab es weder ein faires Verfahren noch eine angemessene Frist zwischen Todesurteil und Vollstreckung. Nur wenige Stunden nach dem Prozess am 22. Februar 1943 wurden die drei Studenten hingerichtet. Ihr Vergehen: Flugblätter gegen das Nazi-Regime.
Der Hausmeister ruft die Gestapo
18. Februar 1943: Es ist kurz vor zehn Uhr, als Sophie und Hans Scholl ihr sechstes Flugblatt hastig vor den Hörsaaltüren im Hauptgebäude der Ludwig-Maximilians-Universität ablegen. "In einem Staat rücksichtsloser Knebelung jeder freien Meinungsäußerung sind wir aufgewachsen", schreiben die Geschwister. "HJ, SA und SS haben uns in den fruchtbarsten Bildungsjahren unseres Lebens zu uniformieren, zu revolutionieren, zu narkotisieren versucht."
Sophie Scholl legt einen kleinen Stapel Flugblätter auf die Balustrade. Dann gibt sie dem Stapel einen Stoß. Ein Blätterregen schwebt in den Lichthof hinab. Als der Hausmeister in diesem Moment in den Hof tritt, sieht er zuerst die Flugblätter, dann die erschrockenen Gesichter der Geschwister Scholl. Er ruft die Gestapo. Die nimmt die Geschwister fest.
Flugblätter für Ärzte, Pfarrer und Lehrer
In München führt heute der Historiker Umberto Ludovici Schulklassen durch die "Denkstätte Weiße Rose". "Die Protagonisten der 'Weißen Rose' verstanden, dass jedes totalitäre Regime auf Zwang und auf Unterdrückung basiert. Aber auch auf Passivität, Einverständnis und Mitmachen", sagt er.
Genau das wollen sie nicht: Hans und Sophie Scholl, Christoph Probst, Alexander Schmorell, Willy Graf. Als Letzter stößt im Winter 1942/43 Professor Kurt Huber dazu. Sie möchten die Intellektuellen bewegen, schicken ihre Flugblätter an Ärzte, Pfarrer, Lehrer und Professoren.
Zwei Drittel der Empfänger bringen die Flugblätter zur Polizei. Die Gestapo richtet eine Sonderkommission ein, vermutet eine groß angelegte Verschwörung. Dabei gehört der Widerstandsgruppe nur eine Handvoll Münchner Studenten an. "Freundschaft war ein ganz kräftiges und entscheidendes Element, das diese jungen Leute benötigt haben, um Widerstand zu leisten", sagt Umberto Ludovici.
Den Widerstand bezahlen die Studenten nur wenige Tage nach ihrer Festnahme mit dem Tod.
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 22. Februar 2018 ebenfalls an Hans und Sophie Scholl. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
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