Verbotener Sex, unkeusche Gedanken hinter Klostermauern und Züchtigungs-Spiele mit einem Schulmädchen – verbunden mit einer gewaltsamen Kastration, aber auch mit Treue bis in den Tod: Das sind die Zutaten der Liebesbeziehung des Philosophen Abaelard mit der späteren Äbtissin Héloïse.
"An dieser jungen Frau erblickte ich alles, was Verehrer anzulocken pflegt", wird sich Abelard in seiner Autobiografie erinnern. "Und ich beschloss, mit ihr eine schöne Liebesbeziehung zu beginnen."
Brust statt Bücher
Héloïses Leben beginnt schon mit einem Skandal: Vermutlich ist sie die verbotene Frucht der Liebesbeziehung eines unbekannten Verehrers mit der späteren Priorin der Abtei Fontevrault. Geboren wird sie um 1095 in der Loire-Region. Unter der Obhut ihres Onkels, der offenbar ihr Vormund wird, genießt sie schon früh eine ausgezeichnete Ausbildung.
Abaelard ist 39, als er sich in Héloïse verliebt. Vor allem die Kombination aus Schönheit und Bildung schlägt den Gelehrten, dessen Vorlesungen an der Pariser Universität begehrt sind, in ihren Bann. Um sie zu verführen, bietet er sich dem Onkel als Hauslehrer an. Der Coup gelingt. "Da gab es mehr Küsse als Sprüche", wie Abaelard schreibt. "Nur allzu oft zog es die Hand statt zu den Büchern zu ihrem Busen."
Im Schlaf entmannt
Dann wird Héloïse schwanger, der Onkel tobt. Abaelard schlägt vor, Héloïse heimlich zu heiraten, aber die Angebetete stellt sich quer. Da macht der Onkel entgegen aller Absprachen die Hochzeit öffentlich – was Héloïse dazu bringt, ebenfalls öffentlich alles abzustreiten. Um sie vor dem tobenden Onkel zu retten, bringt Abaelard seine Geliebte 1118 ins Nonnenkloster Argenteuil.
Das will der Onkel nicht auf sich sitzen lassen. Er heuert eine Bande an, die Abaelard im Schlaf überrascht und entmannt. Er überlebt und tritt ins Benediktinerkloster St. Denis ein. Héloïse wird vermutlich 1123 Priorin, Abaelard wird Abt in der Bretagne.
Pilgerort für Liebespaare.
Erst nach zehn Jahren nehmen beide wieder Kontakt zueinander auf. In Briefen arbeiten sie leidenschaftlich ihre Vergangenheit auf, widmen sich aber auch Klosterangelegenheiten und den ganz großen Fragen ihrer Zeit. Acht Briefe sind es insgesamt, in denen sie von den "Wonnen der Liebenden" und er von der "göttlichen Gnade" schreibt: Der letzte hat in der deutschen Ausgabe der Korrespondenz 100 Seiten.
1142 stirbt Abaelard, Héloïse wohl 1164 im Kloster Le Paraclet bei Nogent-sur-Seine. Ihre Gebeine werden neben ihrem Geliebten begraben, bis man beide 1815 auf den neuen Pariser Ehrenfriedhof Père Lachaise überführt. Bis heute ist ihr Grab ein Pilgerort für Liebespaare.
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 26. Dezember 2019 ebenfalls an die Äbtissin Héloïse. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
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