Bei der achten Fußball-Weltmeisterschaft 1966 steht Helmut Haller beim Endspiel Deutschlands gegen England im legendären Wembley-Stadion auf dem Platz. Fünf Tore hat er bei der WM schon geschossen, im Finale schießt er sein sechstes; auf der Torschützenliste belegt er damit den zweiten Platz. Das Endspiel verliert Deutschland mit 2:4. Haller schreibt sich trotzdem in die WM-Annalen ein, indem er sich kurzerhand den WM-Ball schnappt und mit nach Hause nimmt.
"Ich habe mir gedacht: 'Wenn ich schon nicht die Weltmeisterschaft gewinnen kann, so möchte ich meinem kleinen Sohn doch eine kleine Freude mit nach Hause nehmen'", wird Haller sich später erinnern. Mit dem runden Leder unterm Arm nimmt er noch von Queen Elisabeth die Verlierermedaille entgegen, dann verschwindet er mit dem Diebesgut in die Kabine. Erst 1996 beginnen die Briten nach der Reliquie zu recherchieren. Nach 30 Jahren muss Haller den Ball auf die Insel zurückbringen.
Wie man leben muss als Profi
Geboren wird Haller 1939 in Augsburg. Mit neun Jahren beginnt er, im Verein zu spielen. Bei einem Schülerturnier kommt Nationalspieler Fritz Walter auf ihn zu und schenkt ihm für sein schönes Spiel fünf D-Mark. Mit 18 Jahren kommt Haller in Augsburgs erste Mannschaft, ein Jahr später hat er unter Trainer Sepp Herberger seinen ersten Auftritt im Nationaldress. Herberger ist es auch, der seinen weiteren Lebensweg bestimmt. "Er hat mit mir gesprochen, mich auch eingeladen für acht Tage in seine Wohnung", sagt Haller. Dort habe er ihm erzählt, "wie man leben muss als Profi."
1962 spielt Haller bei der WM in Chile gegen Italien. Da ist schon klar, dass einige seiner Gegenspieler bald seine Vereinskollegen werden. Nach dem Turnier wechselt er zum FC Bologna. Umgerechnet 300.000 D-Mark plus Prämien verdient er dort im Jahr. In Augsburg waren es in zwei Jahren gerade einmal 3.000 gewesen.
Drei Millionen für den Wechsel
Mit Bologna wird Haller 1964 italienischer Meister. Im selben Jahr wählen die Tifosi "Il Bionodo" ("den Blonden") zum Fußballer des Jahres. In Italien wird Haller verehrt, so wie er müsse man im Paradies spielen, steht in den Zeitungen. In Deutschland aber gilt er, wie die meisten Auslandsprofis, unterschwellig als Vaterlandsverräter. Zwischen 1962 und 1966 bestreitet Haller nur ein einziges Länderspiel; erst zur WM 1966 in England darf er neben Franz Beckenbauer und Wolfgang Overath wieder spielen.
1968 bezahlt Juventus Turin die damals unglaubliche Transfersumme von drei Millionen D-Mark für Haller. Mit Juventus wird er zwei Mal italienischer Meister. 1973 kehrt Haller zum FC Augsburg zurück, später baut er einen Sportgroßhandel auf und investiert sein Geld in Mietshäuser. Nach einem Herzinfarkt kommt er nie wieder richtig auf die Beine, leidet an Demenz und Parkinson. Er stirbt am 11. Oktober 2012 in Augsburg. Neben Robert Huth ist er bis heute der einzige deutsche Nationalspieler, der nie in der Bundesliga gespielt hat.
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