Georg Simmel

5. April 1905 - Georg Simmels "Philosophie der Mode" erscheint

Stand: 05.04.2020, 00:00 Uhr

Der Kapitalismus ist ein gefräßiges Tier, aber auch die alles bestimmende Antriebsfeder sozialer Kommunikation. So jedenfalls sieht es der Philosoph und Soziologe Georg Simmel. "Das Geld ist eine Spinne, die das gesellschaftliche Netz webt", schreibt er in seinem Buch "Die Philosophie des Geldes" (1900). Und schlussfolgert: "Geld wird Gott."

Publizistisch und im Hörsaal ist Simmel ein Tausendsassa. Er schreibt und spricht über die Psychologie der Frauen, über die Scham und den Streit, über Rembrandt und über die Ruine, über das Abenteuer – und über die Koketterie. Am 5. April 1905 veröffentlicht Simmel einen Aufsatz über unsere Kleidung. Die "Philosophie der Mode" passt in seine urbane Perspektive, die ihn zum Begründer der Stadtsoziologie werden lässt.

Das Buch "Philosophie der Mode" erscheint (am 05.04.1905)

WDR 2 Stichtag 05.04.2020 04:14 Min. Verfügbar bis 03.04.2030 WDR 2


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Intellektuelles Zentrum Berlins

Geboren wird Simmel 1858 in Berlin. Eine Erbschaft befreit ihn von finanziellen Sorgen, so kann er auch jenseits der akademischen Karrierewege selbstständig denken. 1885 habilitiert er sich mit einer Arbeit zu Immanuel Kant, danach wird er Privatdozent. Seine Vorlesungen werden sogar in der Zeitung angekündigt. Ernst Bloch und Siegfried Kracauer schauen ebenso vorbei wie Marianne und Max Weber. Selbst der russische Revolutionär Leo Trotzki soll zugehört haben.

1890 heiratet Simmel die Zeichenlehrerin, Malerin und Schriftstellerin Gertrud Kinel. Ihr Haus wird zu einem wichtigen intellektuellen Zentrum des geistigen Berlin. 1911 wird Georg Simmel aufgrund seiner Verdienste für die Soziologie als Wissenschaft Ehrendoktor der Universität in Freiburg, drei Jahre später erhält er in Straßburg eine ordentliche Professur in Philosophie. Er stirbt 1918 ebenda an Leberkrebs.

Das Raubtier an der Leine

Neben dem Geld ist die Mode für Simmel ein grundlegender gesellschaftlicher Faktor. Ihrem Wesen nach ist sie janusköpfig: Denn sie sorgt dafür, dass ihr Träger als Akteur den sozialen Konventionen verhaftet bleibt – und sich gleichzeitig doch als Individuum von anderen Individuen abheben kann. Insofern befriedigt die Mode das urmenschliche Bedürfnis, dazuzugehören und sich zugleich als eigenständig zu erfahren. Wenn Geld die Spinne ist, die das soziale Netz webt, dann ist die Mode das Raubtier an der Leine.

Zugleich ist die Mode ein soziales Phänomen, das es den gehobenen Schichten erlaubt, sich von den niederen Schichten zu unterscheiden. Simmel: "Sobald die unteren sich die Mode anzueignen beginnen, wenden sich die oberen Stände von der Mode ab und einer neuen zu, durch die das Spiel von neuem beginnt."

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