Klaus Theweleits Bücher klingen wie der Free Jazz, den er als Hobby-Gitarrist selbst spielt: frei gedacht, mit wenig wissenschaftlichen Elementen und viel Erkenntnisgewinn. Der Schriftsteller, Literaturwissenschaftler und Kunsttheoretiker ist einer der unkonventionellsten Gelehrten Deutschlands.
Ein Buch über Fußball als Realitätsmodell
Über den Erfolg von Comics und Graphic Novels sagt er: "Comic ist das Medium, dem es gelungen ist, die absurdesten und avantgardistischsten Themen einigermaßen publikumsbreit zu verkaufen."
Und über Sport: "Mit Fußball lässt sich alles ausdrücken: Teamverhalten, Unterordnung, Chefverhalten, Bestechung, Betrug, Auseinandersetzungen, wer kommt hoch, wer kommt runter, wen kann man erniedrigen – alles Dinge, die auch im gesellschaftlichen Leben vorkommen." So beschreibt er es ausführlich in seinem Buch von 2004, "Tor zur Welt: Fußball als Realitätsmodell".
Theorieroman oder geschriebener Film?
Klaus Theweleit, geboren am 7. Februar 1942 in Ebenrode, Ostpreußen, heute Russland, schreibt, spricht und lehrt ungewöhnlich.
"Ein Kritiker in der 'Zeit' nannte meine umfangreicheren Bücher einmal Theorieromane. Das kommt ihrer Anlage vielleicht näher. Aber sie sind auch Bücher, die in lang angelegten Bildersträngen sprechen: Manche Leser sehen eher eine Art geschriebenen Film in dem, was ich mache", versucht Theweleit zu erklären.
Für ihn ist jeder Aspekt des gesellschaftlichen Lebens eine psychoanalytische Untersuchung wert. Klaus Theweleit hat schon über Rassismus geforscht ("Männerphantasien", 1977/78), über Musik ("Jimi Hendrix. Eine Biographie", 2008), über Terror und Ideologie ("Das Lachen der Täter: Breivik u.a. Psychogramm der Tötungslust", 2015), oder eben Fußball.
Theweleit schreibt eines der ersten Bücher zur Männerforschung
Faschistisches Bewusstsein, Militär und die soldatische Prägung von Männern sind die Themen in seinem bekanntesten Buch "Männerphantasien" von 1977/78. Knapp 1.200 Seiten ist es lang, dabei klug gemacht, phantasievoll und analytisch. Bis heute gehört das Lesen der "Männerphantasien" zum Initiationsritus eines jeden Geisteswissenschaftlers. Selbst "Der Spiegel" machte damals auf acht Seiten Platz für eine Rezension. Und Rudolf Augstein nannte das Buch die "vielleicht aufregendste deutschsprachige Publikation diesen Jahres". In jedem Fall gilt das Buch als eines der allerersten Werke der Männerforschung, in Deutschland und weltweit.
Die Universität Freiburg, die seine Doktorarbeit zum gleichen Thema 1976 mit "summa cum laude" bewertet hatte, ließ ihn jedoch kein Proseminar halten. Wegen "ungezügelter Intelligenz", wie ein Freiburger Kollege, der Germanist Gerhard Kaiser, spottete. Zehn Jahre, von 1998 bis 2008, war Theweleit dann Professor für Kunst und Theorie in Karlsruhe.
Buchhändler wissen nicht, wo sie Theweleits Bücher hinstellen sollen
"Geschichtsdetektiv" nennt sich Theweleit selbst und sagt: "Schreibe ich historische Untersuchungen? Ja. Aber im strengen Sinne nein: Sie sind zu erzählerisch. Schreibe ich Romane? Manche sagen, schon eher, aber im strengen Sinne nein: Sie bauen sich nicht um Handlungen herum und sind zu wissenschaftlich. Bis heute wissen die Buchhändler nicht, wo sie die "Männerphantasien" hinstellen sollen. Zur Faschismustheorie? Zur Genderforschung? Zur Psychoanalyse?"
Programmtipps:
Auf WDR 2 können Sie den Stichtag immer gegen 9.40 Uhr hören. Wiederholung: von Montag bis Samstag um 18.40 Uhr. Der Stichtag ist nach der Ausstrahlung als Podcast abrufbar.
Stichtag am 08.02.2017: Vor 85 Jahren: Geburtstag des Filmkomponisten John Williams