Die ersten Inka, die die spanischen Eroberer im 16. Jahrhundert zu Gesicht bekommen, machen eine grausame Entdeckung. Halb Mensch, halb Tier scheinen die zerlumpten Eroberer zu sein, denn Pferde kennt das südamerikanische Kulturvolk nicht.
Von seltsamen Wesen auf schwimmenden Häusern hätte auch sein Vater erfahren, wird sich Titu Cusi Yupanqui, einer der letzten Inka-Herrscher, später erinnern: "Wesen, die Viracocha, dem Schöpfer aller Dinge, glichen. Sie ritten auf großen Tieren, deren Füße aus Silber waren, und sie feuerten Blitz und Donner ab wie der Himmel." Für Yupanqui und den Rest der Inka bedeutet die Ankunft "die Erschütterung der Welt".
Skrupellose Lust auf Abenteuer
Angeführt werden die Spanier von Francisco Pizarro. Er wurde im Jahr 1476 oder 1478 im kargen südspanischen Trujillo als unehelicher Sohn eines Edelmanns geboren. Zeitlebens kann er weder lesen noch schreiben, macht mangelnde Bildung aber durch maßlosen Ehrgeiz wett. Bis zum Rang des Hauptmanns dient er sich nach oben. Schon früh macht Pizarro sich auf Erkundungsfahrt in neue Welten, ab 1502 lebt er sieben Jahre auf Haiti, 1510 und 1513 nimmt er an zwei weiteren Expeditionen teil.
1519 übersiedelt Pizarro nach Panama-Stadt, wo er als Bürgermeister und Richter vermögend wird. Kaum erfährt er von den sagenhaften Schätzen Perus, hält ihn auch dort nichts mehr. Da ist er schon fast 50 und könnte seinen Reichtum genießen. Aber Pizarro hat jene skrupellose Abenteuerlust, die auch seinem Cousin Hernán Cortéz, dem Eroberer Mexikos, eigen ist. Gegen Gold erteilt ihm der spanische König einen Freibrief mit der Vollmacht, "für die Krone Kastiliens die Entdeckung und Eroberung des Landes Peru fortzuführen". Zum Dank soll er Gouverneur des riesigen Gebietes werden.
Gemetzel in der Residenz
Mit weniger als 300 Soldaten, 40 Missionaren und einer Gruppe Dolmetschern zieht Pizarro 1532 nach Peru, um das sich über 4.000 Kilometer vom heutigen Kolumbien bis nach Santiago de Chile erstreckende Reich zu erobern – allerdings ohne Strategie und Plan. Als er auf das 6.000 Mann starke Heer des Inkaherrschers Atahualpa trifft, gibt er sich friedlich und erhält eine Einladung in dessen Residenz. Dann fordert Pizarros Beichtvater den Inkaherrscher auf, sich dem Christengott zu unterwerfen. Als Atahualpa eine Bibel zu Boden wirft, fallen die Spanier über die Inka her, metzeln sie nieder und nehmen Atahualpa gefangen.
Atahualpa fleht Pizarro an, ihn freizulassen und bietet von sich aus Lösegeld an: Die für ihn bestimmte Gefängniszelle solle bis zur Decke mit Reichtümern gefüllt werden. Wochenlang schleppen die Inka goldene Gefäße, Kunstwerke und Wandtafeln aus dem ganzen Reich heran. Der Inkaherrscher bleibt in Gewahrsam. Als die Gefängniszelle voll ist, lässt Pizarro Atahualpa töten. In den darauffolgenden Monaten erobern Pizarros Truppen das gesamte Inkareich und gründen Städte. Dabei kommt ihnen der Umstand zugute, dass auch die Inka ihr Reich grausam erobert und deshalb im Land viele Feinde haben. Bei der Eroberung sind Verbündete und Verräter hilfreicher als die spanischen Gewehre.
In Lima errichtet sich Pizarro einen eigenen Palast. Dort wird er am 26. Juni 1541 von einem Mitstreiter ermordet. Jahrelang erinnert ein Reiterdenkmal vor dem Regierungspalast von Lima an ihn. Inzwischen wurde es vom Sockel geholt und in einen Park am Rand der Stadt verbannt.
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.05 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 26. Juni 2016 ebenfalls an Francisco Pizarro. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.