Würde Mozart heute leben, dann würde er Filmmusik schreiben, davon ist Lalo Schifrin überzeugt. Der argentinische Pianist, Komponist und Dirigent kann sich das Urteil erlauben: Er zählt in Hollywood ebenso zu den ganz Großen wie bei den bedeutendsten Sinfonieorchestern der Welt.
Zu Schifrins bekanntesten Arbeiten gehören die musikalische Konzeption der legendären Drei Tenöre Domingo-Pavarotti-Carreras und Film-Soundtracks wie "Mission: Impossible". Seine Wurzeln aber hat der am 21. Juni 1932 in Buenos Aires geborene Dirigentensohn im amerikanischen Jazz, der ihn seit seiner Jugend nicht mehr loslässt.
Bei Stockhausen gelernt – von Gillespie entdeckt
Bereits mit fünf Jahren bekommt Lalo Schifrin Klavierunterricht bei Enrique Barenboim, dem Vater von Daniel Barenboim. Am Pariser Konservatorium lernt er bei den Neutönern Karlheinz Stockhausen und Olivier Messiaen klassische Kompositionslehre. Obwohl Schifrin nebenher auch noch Jura studiert ("Daher weiß ich heute, wie man einen Vertrag liest"), sitzt er fast jede Nacht heimlich in den Jazzclubs von Paris am Klavier.
Die Liebe zum Jazz wie zur Klassik und die Synthese aus beidem ziehen sich wie ein roter Faden durch Schifrins Werk. Sich festzulegen ist ihm nie in den Sinn gekommen. Ende der 1950er-Jahre entdeckt Dizzy Gillespie das junge Multi-Talent. Schifrin folgt dem Star-Trompeter in die USA und komponiert für ihn die millionenfach verkaufte Suite "Gillespiana". Als Arrangeur und Orchesterleiter tourt er mit Ella Fitzgerald, Stan Getz und Count Basie um die Welt.
"Mission: Impossible" - zeitlose Dynamik
Schifrins Begabung und Experimentierlust, den Jazz mit südamerikanischen Impulsen aufzuladen, lässt in den 60er-Jahren auch Filmproduzenten aufhorchen. Nicht zuletzt seinen Soundtracks verdanken "Cincinnati Kid" und "Bullit" mit Steve McQueen, "Der Unbeugsame" mit Paul Newman oder "Dirty Harry" mit Clint Eastwood ihre coole atmosphärische Dichte.
Für die auch in Deutschland erfolgreiche TV-Serie "Kobra, übernehmen Sie" - Originaltitel "Mission: Impossible" - schafft Lalo Schifrin einen so dynamischen Groove, dass die Musik Jahrzehnte später auch für die Kinoversion mit Tom Cruise übernommen wird. Viele der weit über 100 Schifrin-Soundtracks erlangen Kultstatus.
In den 80er-Jahren konzentriert sich Lalo Schifrin wieder auf seine dritte Leidenschaft: die klassische Sinfonie. Er wird musikalischer Direktor der Pariser Philharmoniker und arbeitet unter anderem in London, Wien und Los Angeles mit den führenden Orchestern der Welt.
Spezialist für außergewöhnliche Musik-Events
Der Argentinier mit dem virtuoser Stil-Mix gilt zudem als Maestro für außergewöhnliche Ereignisse. 17.000 Menschen feiern ihn mit Standing Ovations, als er mit dem Glendale Orchestra seine Komposition zum 100. Geburtstag der New Yorker Freiheitsstatue aufführt. Schifrin vertont mexikanische Verse aus dem 12. Jahrhundert und führt sie mit Placido Domingo am Fuße der prähistorischen Tempelanlage von Teotihuacán auf.
Sein kommerziell einträglichstes Unternehmen startet er 1990 mit dem Konzert der Drei Tenöre in den Caracalla-Thermen von Rom. Auch mit der WDR Big Band hat Lalo Schifrin Teile seines umfangreichen Repertoires eingespielt, darunter die "Bullit"-Filmmusik, "Gillespiana" und die Grammy-nominierte "Scheherazade Fantasy". In seinem Haus in Beverly Hills, das er einst von Groucho Marx gekauft hat, arbeitet Lalo Schifrin auch mit 85 Jahren weiter an seinem Lebenswerk: täglich von 9 bis 17 Uhr am Piano, ganz klassisch mit Bleistift und Notenpapier.
Programmtipps:
Auf WDR 2 können Sie den Stichtag immer gegen 9.40 Uhr hören. Wiederholung: von Montag bis Samstag um 18.40 Uhr. Der Stichtag ist nach der Ausstrahlung als Podcast abrufbar.
"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 21. Juni 2017 ebenfalls an Lalo Schifrin. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
Stichtag am 22.06.2017: Vor 215 Jahren: Erstes Arbeiterschutzgesetz in England