Ende der 1990er-Jahre legen Kinder und Jugendliche ihre Gameboys und Tamagotchis auf einmal zur Seite und lesen wieder dicke Bücher – die Abenteuer des Zauberschülers und Waisenjungen Harry Potter. "Ich hasste Bücher – bis ich Harry traf", fasst ein zehnjähriger Junge die Stimmung damals zusammen.
Die sieben Bände der Harry-Potter-Saga sind magisch. Eltern und Kinder stürmen die Kinderbuchabteilungen. Händler verkaufen an manchen Tagen so viele Potter-Bücher wie andere Jugendbücher im ganzen Jahr. Bei 33 Millionen in Deutschland verkauften Büchern dürfte es kaum einen Haushalt ohne Harry Potter geben.
"Ich wollte einfach nur ein Buch schreiben, das ich als Kind selbst gern gelesen hätte", sagte die Autorin Joanne K. Rowling einmal.
Der Brief, der das Leben verändert
Harry Potter, das ist der Waisenjunge mit der Narbe auf der Stirn, dessen Eltern unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen sind. Von seiner Pflegefamilie, den Dursleys, wird er unter der Treppe weggesperrt. Doch plötzlich erhält er einen Brief, der sein Leben verändert – ausgeliefert von einer Eule. Der Brief ist eine Einladung nach Hogwarts, einer Schule für Zauberei.
Dort erfährt er nicht nur viel über seine Vergangenheit, sondern lernt auch seine beiden besten Freunde Ron und Hermine kennen. Er setzt sich mit schwierigen, vielschichtigen Charakteren auseinander, seinem Mitschüler Draco Malfoy zum Beispiel und dem Zaubertränke-Lehrer Severus Snape.
"Harry Potter ist jemand, mit dem man sich gut identifizieren kann", sagt Andrea Kümpel, Leiterin der Kinderbuchabteilung bei der Thalia-Buchhandlung in Bonn. "Er ist ein normaler Junge. Das einzige, was an ihm besonders ist: Dass er zaubern kann. Nur diese Besonderheit verliert sich natürlich, weil er in eine Zauberschule geht, wo jeder zaubern kann. Es ist eine leicht verschobene Wirklichkeit: Wenn wir zaubern könnten, wäre unsere Welt genauso wie bei Harry Potter."
Die Bücher sind spannend, aber anspruchsvoll. Sie spielen in einer Fantasy-Welt – und spiegeln doch unsere Realität. "Eine ganze Welt wird erschaffen. Man möchte sofort zu Gleis 9 ¾ aufbrechen und nach Hogwarts fahren", sagt Kümpel.
Erste Auflage: 500 Exemplare
Angefangen hat alles in einer Eisenbahn, im Sommer 1990. Auf der Strecke zwischen Manchester und Londons Bahnhof King's Cross bleibt ein Zug liegen. In einem der Waggons sitzt Joanne K. Rowling, damals eine alleinerziehende, arbeitslose Sprachlehrerin, die von Sozialhilfe lebt. Hier sei ihr die Idee zu Harry Potter gekommen, sagt sie.
"Ich bin aus Portugal zurückgekommen, hatte keine Arbeit, gehörte an keinen Ort. Wie wild habe ich geschrieben, als meine kleine Tochter schlief. Es klingt übertrieben, aber wäre das Buch nicht veröffentlicht worden, wäre es trotzdem eines der wichtigsten Ereignisse meines Lebens geblieben: Mit ihm gelangte ich an einen anderen Ort, konnte meine schäbige Wohnung verlassen, in der ich mich gefangen fühlte", erinnert sich Rowling, die 2011 vom US-Magazin "Forbes" auf die Liste der Dollar-Milliardäre gesetzt wird.
Rowling entwirft nach und nach die Geschichte für alle sieben Bände. Am 26. Juni 1997 erscheint schließlich der erste Band in Großbritannien: "Harry Potter und der Stein der Weisen“. Die erste Auflage: 500 Exemplare.
Im Juli 2007, zehn Jahre nach dem ersten Band, erscheint der siebte und letzte Teil: "Harry Potter und die Heiligtümer des Todes". Immer dunkler sind die Bücher bis dahin geworden: Macht und Ausgrenzung durch ein grausames Regime sind nun die wichtigsten Themen. Nach insgesamt über 450 Millionen verkauften Potter-Büchern ist die Geschichte um Harry, Ron und Hermine zu Ende erzählt.
"Alles Schöne ist irgendwann vorbei. Ich meine: Was wäre Freude ohne eine gewisse Traurigkeit? Andererseits: Man darf nicht vergessen, dass Harry Potter glücklich und zufrieden mit seiner Ginny lebt", sagt die Buchhändlerin Andrea Kümpel.
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