1864 steht Carl Humann vor den verwitterten marmornen Ruinen des antiken Pergamon. "Das also war übrig geblieben vom stolzen uneinnehmbaren Sitz der Attaliden", notiert der im heutigen Essen-Steele geborene Ingenieur und Archäologe. 14 Jahre lang legt Humann die Überreste der vorchristlichen Kulturmetropole frei, dann macht er den Fund seines Lebens. Rund um ein kompaktes Mauerfundament entdeckt er die Fragmente eines monumentalen Frieses, das einst ein Altar-Bauwerk schmückte.
Mit einzigartiger Dramatik in Stein verewigt, schildert der Fries die Schlacht der olympischen Götter gegen die Giganten. Ein Jahrhundertfund, vergleichbar mit den "Elgin Marbles" der Athener Akropolis, die im Londoner British Museum lagern. Das Deutsche Reich, auch kulturell in heftiger Konkurrenz mit den Großmächten Europas, reagiert begeistert auf Humanns Fund. "Man wollte auf Augenhöhe mit dem Louvre und dem British Museum agieren können", erklärt Andreas Scholl, Direktor der Berliner Antikensammlung. 1897 beginnt deshalb auf der Museumsinsel der Bau eines großen Hauses für antike Kunst, mit dem Pergamonaltar als Prunkstück.
Am falschen Ende gespart
Kaiser Wilhelm II. persönlich setzt sich für das Pergamonmuseum ein, hat aber in Wilhelm Bode einen einflussreichen Widersacher. Der Leiter der Berliner Gemäldegalerie ist einer der bedeutendsten Sammler seiner Zeit und "ohne ihn wären Berlins Museen provinziell geblieben", sagt der Architekturhistoriker Nikolaus Bernau: "Aber Bode interessierte im Wesentlichen das Schicksal seiner eigenen Abteilung." Unterstützt von der Kaiserinmutter Viktoria hintertreibt Bode das Pergamon-Projekt, um erst das von ihm geplante Kaiser-Friedrich-Museum bauen zu können. Das später in Bode-Museum umbenannte Haus verschlingt fünf Millionen Reichsmark. Für das 1901 fertige Pergamonmuseum bleiben nur 850.000 Mark übrig. Gespart wird vor allem am Fundament – im schlammigen Untergrund der Museumsinsel ein fataler Fehler.
Innen reißt das Museum nicht nur den Kaiser zu Begeisterungsstürmen hin. "Was in diesen Räumen dem staunenden Beobachter dargeboten, das ist eine solche Fülle von Schönheit, wie man sie sich gar nicht herrlicher vereint vorstellen kann", erklärt Wilhelm II. bei der Eröffnung am 18. Dezember 1901. Wie zu antiker Zeit präsentiert sich der Altar den Besuchern - anders als in späteren Jahren - als komplettes Gebäude, umrahmt vom eindrucksvollen Schlachten-Fries. Doch die Pracht ist von kurzer Dauer, die Schlampereien beim Bau rächen sich schnell. "Das Museum erweist sich als totale Fehlkonstruktion", bestätigt Sammlungschef Andreas Scholl. "Die Fundamente sackten weg, es gab gewaltige Risse, die Statik war nicht mehr gegeben."
Pergamonaltar bis 2023 unsichtbar
Nach nur sieben Jahren muss der Pergamonaltar ausgelagert und das Museum vollständig abgetragen werden. Das Fundament des 1910 begonnenen Neubaus wird nun teils bis zu 50 Meter tief im Morast der Museumsinsel verankert. Der Weltkrieg verzögert die Arbeiten. In der Weimarer Republik als megalomanes Projekt aus Kaisers Zeiten geschmäht, zieht sich die Fertigstellung bis 1930 hin. Geöffnet bleibt das zweite Pergamonmuseum nur neun Jahre, bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Nach der Einnahme Berlins durch die Rote Armee wird der weltberühmte Altar als Beutekunst verschleppt. Erst 1959 kehrt er aus der Sowjetunion nach Berlin zurück.
Millionen Besucher haben seither die antiken Kolossalbauten im Pergamonmuseums bestaunt – neben dem Altar-Fries die babylonische Prozessionsstraße mit dem gewaltigen Ischtar-Tor, das Markttor von Milet und die Mschatta-Fassade. "Es gibt kein vergleichbares Museum auf der ganzen Welt, das mit ähnlicher Konsequenz antike Architektur verschiedener großer Mittelmeer-Zivilisationen zum Thema macht", urteilt Museumsdirektor Andreas Scholl. Seit 2014 müssen Besucher wieder auf den Anblick des berühmtesten Schaustücks verzichten. Bei laufendem Betrieb wird das inzwischen marode Museum generalsaniert. Der Pergamonaltar bleibt deshalb voraussichtlich bis 2023 staubdicht verpackt hinter einem Metallgerüst verborgen.
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