Ellis Island, diese kleine Insel vor Manhattan in den USA, ist Anfang des 20. Jahrhunderts ein Ort der großen Gefühle, der Hoffnung und der Angst. Wegen der vielen Tränen, die hier fließen, nennen die Einwanderer sie die Isle of Tears, die Träneninsel.
In der Ankunftshalle treffen die Ankömmlinge, viele zum ersten Mal in ihrem Leben, auf Beamte, die sie mit Respekt behandeln. "Das Wort Obrigkeit machte mir Angst. Für mich bedeutete Obrigkeit: Beamte, die dich gehässig ansehen, als wollten sie dich vernichten. Die Idee von Demokratie, von Polizisten, die dir helfen, war neu für mich", erinnert sich ein Einwanderer.
Noch Jahrzehnte später ist der polnische Jude Lawrence Mainwald, der 1920 aus Warschau ankommt, überwältigt von seiner Ankunft in New York. "Da waren Menschen aller Glaubensrichtungen: Christen, die sich auf den Knien bekreuzigten, Juden in ihren Gebetsmänteln. Dann die Freiheitsstatue: was für ein Anblick!"
Die vielen bettelarmen Einwanderer, die nicht erster oder zweiter Klasse reisen konnten, hatten zuvor eine qualvolle Reise im Schiffsrumpf erlebt. "Kaum Licht. Wir reisten in der dritten Klasse wie Tiere. Ich wollte nur noch eines: raus hier und ankommen in Amerika", berichtet einer der vielen Emigranten.
Zwölf Millionen Einwanderer passieren Ellis Island
Für einige hunderttausend Menschen allerdings endet die Reise beim Medizincheck oder bei der Befragung durch Beamte. Einige tausend Verzweifelte töten sich daraufhin lieber selbst, als in ihre Herkunftsländer zurückzukehren.
Ellis Island auf einem alten Holzstich von circa 1897
Die große Mehrheit jedoch, mehr als zwölf Millionen Menschen, gelangt durch das Nadelöhr von Ellis Island ins Land. Mit ihnen wird die Insel nach und nach zum Symbolort einer weltoffenen Gesellschaft. 40 Prozent aller US-Bürger sollen Vorfahren haben, die Ellis Island passierten.
Auch Donald Trumps Großvater kommt in Ellis Island an
Deshalb hat der demokratische Gouverneur von New York, Andrew Cuomo, bewusst diesen heiligen Ort, wie er ihn nennt, für seine Rede im Januar 2019 gewählt. Von hier aus greift er gezielt den US-Präsidenten Donald Trump an, der für Abschottung und Ausgrenzung steht. Auch erinnert er an einen bestimmten Einwanderer: "Hier kam Frederick Trump aus Deutschland an, dessen Enkel Präsident der Vereinigten Staaten werden sollte."
Erst im November 1954 wird Ellis Island geschlossen. Das nationale Einwanderungsmuseum erinnert dort an die 15-jährige Irin Annie Moore und all die anderen, die hier ankamen. Moore war 1892 die erste, die über die mythische Insel in die USA eingereist ist.
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