8. April 1922 - Einführung der Vermögenssteuer

Stand: 08.04.2017, 00:00 Uhr

"Die Zeit ist hart - aber der Sieg ist sicher! Zeichnet Kriegsanleihen!" Im Ersten Weltkrieg leihen viele Deutsche dem Staat Geld. Die Propaganda verspricht: "Die beste Sparkasse: Kriegsanleihe!" Etwa 60 Prozent der laufenden Kriegskosten werden so auf Pump finanziert. Nach dem Sieg sollen die Bürger ihr Geld zurückerhalten.

Doch es kommt anders: Nach der deutschen Niederlage löst sich das Kaiserreich auf. Die nachfolgende Weimarer Republik beginnt mit einer Staatspleite.

Erzbergersche Finanzreform

"Da musste dann das gesamte Steuer- und Finanzwesen grundlegend reformiert werden", sagt Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Zumal aufgrund des Versailler Vertrages auch Reparationszahlungen an die alliierten Sieger des Krieges geleistet werden müssen.

Die Aufgabe, das Geld einzusammeln, übernimmt Matthias Erzberger von der Zentrumspartei. Der Reichsfinanzminister hatte den Waffenstillstand unterschrieben, den Versailler Vertrag befürwortet und damit auch die Reparationszahlungen. Im Zuge der sogenannten Erzbergerschen Finanzreformen wird die Steuerbelastung deutlich angehoben.

Reiche sollen "Reichsnotopfer" leisten

Erzberger führt Ende 1919 das "Reichsnotopfer" ein. Die Zahlung soll von Reichen geleistet werden. Ab 5.000 Mark beträgt sie zehn Prozent und steigert sich mit zunehmendem Vermögen. Ab sieben Millionen Mark sollen 65 Prozent gezahlt werden. Zum Vergleich: Ein Arbeiter verdient damals monatlich durchschnittlich 80 Mark. Doch das Konzept scheitert. Viele Vermögende bringen ihr Kapital ins Ausland oder verschleppen die Zahlung bewusst.

Das Eintreiben von Steuern wird außerdem durch eine immense Inflation erschwert. Denn durch die Geldentwertung schmelzen die Vermögen zusammen. Gleichzeitig lösen sich aber auch die Schulden des Staates bei den Bürgern auf: Die Kriegsanleihen verlieren ebenfalls ihren Wert. Der Staat ist trotzdem immer noch pleite, denn die Alliierten fordern als Kriegsreparation Sachwerte und Goldmark.

Vermögenssteuer umfasst auch Sachwerte

Um die Steuereinnahmen zu steigern, wird das ursprünglich als einmalige Abgabe gedachte "Reichsnotopfer" durch eine regelmäßige Besteuerung hoher Vermögen ersetzt. Am 8. April 1922 wird deshalb ein Vermögenssteuergesetz bekannt gegeben. Zum steuerpflichtigen Vermögen zählen auch Immobilien und Grundbesitz sowie Edelmetalle, Perlen, Edelsteine, Schmuck und Kunstsammlungen. All diese Dinge haben durch die Inflation nichts an Wert eingebüßt.

Bei der neuen Steuer wird allerdings pragmatisch geschätzt, im Zweifel unter Marktwert. Zudem fällt die Vermögenssteuer mit jährlich lediglich einem Prozent niedrig aus. Menschen, die nur wenig besitzen, sind durch einen Freibetrag ausgenommen. Erst nach der Hyperinflation stabilisiert sich das System, ab diesem Zeitpunkt zahlen Reiche in Deutschland über Jahrzehnte Vermögenssteuer.

Bis 1997 erhoben

In den 1990er Jahren gibt es eine neoliberale Wende in der Steuer- und Finanzpolitik. "Da waren hohe Steuern auf hohe Einkommen und Vermögen ohnehin verpönt", sagt DIW-Experte Bach. Immobilien- und Grundbesitzer freuen sich. Der Wert ihrer Liegenschaften wird in Westdeutschland nach einer Tabelle von 1964, in Ostdeutschland nach einer von 1935 ermittelt. Das habe dazu geführt, dass Grundbesitz zuletzt nur noch mit durchschnittlich zehn Prozent der tatsächlichen Marktwerte in die Vermögenssteuern eingegangen seien.

Geldvermögen aber wird real besteuert. Deshalb urteilt 1995 das Bundesverfassungsgericht: "Die Bemessungsgrundlage muss sachgerecht bezogen sein und deren Werte in ihrer Relation realitätsgerecht abbilden." Den Gesetzgeber fordern die Richter auf, eine solche Grundlage zu entwickeln.

Das ist bislang allerdings nicht passiert. Solange aber Vermögen ungleich besteuert werden, darf die Vermögenssteuer nicht erhoben werden. Eine paradoxe Situation: "Die Vermögenssteuer wurde in der Bundesrepublik bis 1997 erhoben." Bis heute steht sie im Grundgesetz - aber niemand zahlt sie.

Angst vor Kapitalflucht

In Deutschland besitzt ein Prozent der Bevölkerung rund ein Drittel des gesamten Vermögens. Das ist europäischer Rekord. Seit den 1990er Jahren hat diese Konzentration mehr und mehr zugenommen. Zugleich schrumpft die Mittelschicht und wird steuerlich am stärksten belastet. "Hier gibt es sicherlich eine gewisse Gerechtigkeitslücke, die man mit wieder etwas höheren Steuern auf hohe Einkommen und Vermögen schließen könnte", resümiert Bach. Das Problem: Unternehmer und Investoren können ihr Kapital ins Ausland bringen - auf legalem wie illegalem Weg.

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