Für Postboten ist der Hund der größte Feind des Menschen. Immer wieder lauert einer hinterm Zaun, um dem Zusteller nach Betreten des Grundstücks heimtückisch in die Waden zu beißen. Auch Fahrrad- und selbst Autoreifen sind vor der Kampfeswut der Kläffer nicht sicher. Und so mancher Landbriefträger muss Tag für Tag die Reifen wechseln.
Normalerweise bittet die Post nach ein paar Übergriffen den Besitzer, seinen Briefkasten doch bitte außerhalb des Zaunes aufzustellen oder Briefe und Pakete gleich selbst in der Poststelle abzuholen. Kleiner Schönheitsfehler: Die Aufforderung muss den Hundebesitzern schriftlich zugestellt werden. Vom Postboten also. Am Hund vorbei.
Ein Reizgas namens "Hundesanft"
1966 reicht es der Bundespost in NRW. "2.000 Mal kam es im letzten Jahr zu blutigen Zusammenstößen", berichtet die WDR-Sendung "Hier und Heute" am 30. August 1966. Und fügt hinzu, dass dabei "die deutschen Vierbeiner siegreich aus allen Schlachten hervorgegangen sind." Die Sendung deckt auch auf, wie die Post dem Übel zu Leibe rücken will: mit einem Anti-Hunde-Spray aus Amerika nämlich. 5.000 mit einem durchgestrichenen Pudelkopf versehene Spraydosen mit dem hübschen Namen "Hundesanft" habe man in den USA bestellt. In den Dosen ist eine Mischung aus Cayenne-Pfeffer und Reizöl, das bis zu vier Meter weit versprüht werden könnte. Auch ein besorgter Züchter kommt in "Hier und Heute" zu Wort: "Wir sind dagegen, dass das Sprühzeug an die Postbeamten ausgegeben wird. Damit der deutsche Schäferhund seinen Charakter nicht verliert."
Schon bald können Züchter und Tierfreunde aufatmen, denn das Anti-Hunde-Spray beeinträchtigt das Bissverhalten heimischer Hunde nicht wesentlich. Mit Händen voller Briefe oder Postwurfsendungen ist das Mittel viel zu spät aus der Tasche gezogen, wenn Fiffi wütend um die Ecke flitzt. Hinzu kommt, dass "Hundesanft" direkt in die Augen gesprüht werden muss, was in größter Not ein Höchstmaß an Besonnenheit und Zielvermögen vorausetzt. Und ein Zusteller in Münster betäubt sich mit dem Spray gleich selbst.
Keine Leckerlis!
Inzwischen setzt die Deutsche Post wieder ganz auf Deeskalation. In Kursen können die rund 80.000 Zusteller Deutschlands von Hundeprofis lernen, wie man trotz kläffender Wachhunde intakte Waden oder Reifen mit nach Hause bringt. Erste Regel: Bloß nicht weglaufen und damit den Jagdinstinkt des Hundes wecken. Zweite Regel: Ruhig und selbstbewusst auftreten, vielleicht sogar mit einem Pfeifen, das dem misstrauischen Schäferhund signalisiert, dass man sich doch gar nicht anschleichen will. Dritte Regel: Keine Leckerlis! Denn der Hund gewöhnt sich an die Belohnung. Und beißt einen vergesslichen Boten dann erst recht ins Bein.
Laut deutscher Post sind die Tipps und Tricks der Experten von Erfolg gekrönt. Wurden 2001 noch knapp 3.000 Zusteller Opfer spitzer Hundezähne, sind es inzwischen nur noch halb so viele.
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