"Der Fänger im Roggen", Buchcover

16. Juli 1951 - "Der Fänger im Roggen" von J. D. Salinger erscheint

Stand: 16.07.2016, 00:00 Uhr

J. D. Salinger hat einen einzigen Roman geschrieben. Und der hat die Leser umgehauen. Am 16. Juli 1951 ist "Der Fänger im Roggen" in den USA erschienen. Einmal gelesen, wirkt er lange nach. Einige Leser tragen ihn für den Rest ihres Lebens mit sich herum. Und noch immer wird das Buch eine Viertelmillion Mal gekauft, jedes Jahr.

"Was mich richtig umhaut, sind Bücher, bei denen man sich wünscht, wenn man es ganz ausgelesen hat, der Autor, der es geschrieben hat, wäre irrsinnig mit einem befreundet und man könnte ihn jederzeit, wenn man Lust hat, anrufen. Das kommt aber nicht oft vor." Sagt Holden Caulfield, der 16-jährige Ausreißer, im Roman. Nichts trifft besser auf das Buch zu, dessen Protagonist er ist.

"Es ist ein intensives Buch. Es ist ein unmittelbares Buch. Es hat eine – jedenfalls für die damalige Zeit – extreme Sprache", sagt Eike Schönfeldt, der den Roman 2003 neu ins Deutsche übersetzt hat. Der englische Originaltext enthält 44 Mal das Wort "fuck", 255 Mal das Wort "goddam". Und Schönfeldts Fassung ist rauher und direkter als die erste von Annemarie und Heinrich Böll.

Rebell ohne Programm und Plan

Der Held des Romans, Holden Caulfield, 16 Jahre alt, Sohn reicher Eltern, ist soeben zum wiederholten Mal von der Schule geflogen. "Die ist voll von verlogenen Typen, und du büffelst bloß, damit du schlau genug bist, um dir dann irgendwann mal einen verfluchten Cadillac kaufen zu können", sagt er. Caulfield ist ausgerissen und wandert durch das Straßenlabyrinth eines vorweihnachtlichen New York. Die Welt der Erwachsenen kommt ihm "phony" und "corny" vor, verlogen und affektiert. Er übernimmt die klassische Rolle des Drifters und Weltbeschimpfers. Die Literaturkritikerin Evelyn Finger schreibt treffend in der "Zeit": "Holden Caulfield verkörpert auf neue leidenschaftliche Weise das alte Grundproblem des Rebellen: dass seine Auflehnung kein Programm und keinen Plan hat." Wirklich verstanden fühlt sich Holden nur von seiner kleinen Schwester Phoebe, die er heimlich trifft.

Den Geruch brennenden Fleisches in der Nase

Der Autor des Romans, Jerome David – J. D. – Salinger war selbst Sohn reicher Eltern und an der Schule gescheitert. Erste Kurzgeschichten und Kritiken waren erschienen, als er in den Zweiten Weltkrieg zog und als Teil der Vierten Division 1944 in der Normandie landete. Mit der gleichen Division war er zudem an der Ardennenoffensive beteiligt, einer der blutigsten Schlachten gegen Ende des Zweiten Weltkriegs. Nie hat sich Salinger direkt über seine Kriegserfahrung geäußert. Aber es gibt zumindest Indizien, wie sehr sie ihn prägte.

"Man kann ein Leben lang leben, ohne je den Geruch brennenden Fleisches aus der Nase zu kriegen", soll er einmal gesagt haben. So zitiert ihn jedenfalls seine Tochter Margaret Salinger in ihren Erinnerungen "Dream Catcher".

Die Figur des Holden Caulfield war längst vor dem Krieg geboren. "Die Seiten waren so kostbar für ihn, dass er sie im ganzen Krieg bei sich trug", schreibt Kenneth Slawenski, der 2011, ein Jahr nach dem Tod des Autors, eine Salinger-Biographie veröffentlicht hat. "Seiten aus dem 'Fänger im Roggen' stürmten den Strand der Normandie, zogen durch die Straßen von Paris, bezeugten den Tod zahlloser Soldaten an zahllosen Orten und wurden durch die Todeslager Nazideutschlands getragen." Weiter heißt es: "Wäre Salinger in Europa gestorben, wäre Holden Caulfield mit ihm gestorben."

Viele Rezensenten glauben, Holdens Lebenstiefe und Weisheit sei erst während des Gewaltexzesses des Krieges entstanden, sein Hass auf Lüge und Falschheit, sein Mitleid und seine Verehrung kindlicher Menschlichkeit.

Salingers Briefkasten fotografieren

Nach dem Erfolg dieses ersten und einzigen Romans zog sich Salinger aus der Öffentlichkeit zurück, nach Cornish, New Hampshire. Ein übermannshoher Zaun umgab das Anwesen an einem Waldrand: Dort schrieb er bis zu seinem Tod am 27. Januar 2010, doch nur selten für die Öffentlichkeit. Fans und Fotografen blieb nicht mehr, als seinen Briefkasten abzulichten.

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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 16. Juli 2016 ebenfalls an den Roman "Der Fänger im Roggen". Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.

Stichtag am 17.07.2016: Vor 70 Jahren: Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen